Die Türkei
Die aktuelle Situation in der Türkei und deren Auswirkungen auf Deutschland
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 15.11.2016
Von: Julia Haas
# Integration, Religion, Europäische Integration
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„Wir sind sehr besorgt.“ – ein Statement zur aktuellen Lage in der Türkei, dass sich durch die knapp zweistündige Podiumsdiskussion zog. Im vollen Hörsaal diskutierten Alp Yenen, Ludwig Schulz, Gülay Kizilocak und Dr. Vural Ünlü über die gegenwärtige Situation in der Türkei und ihre Auswirkungen auf Deutschland. Trotz Ünlüs zu Beginn geäußerten Befürchtung einer einseitigen Diskussion, da die Stimme des „Erdogan-Gewogenen“ nicht vertreten sei, prägten ein lebhafter Austausch und kontroverse Ansichten den Abend.
Den Einstieg in die Diskussion legten die geladenen Experten selbst: Ünlü, Vorstandsvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Bayern, attestierte die Sorge über die aktuellen Geschehnisse in der Türkei; eine Sorge, die alle Podiumsgäste mit ihm teilten. Alp Yenen, Assistent am Seminar für Nahoststudien der Universität Basel, warf den Blick auf Verschwörungstheorien in der Türkei gegenüber Deutschland und zeigte, Klischees eines Deutschen gebe es in der Türkei zur Genüge. Wie der türkische Präsident Erdogan aus einem Konflikt einen Gewinn zieht, erklärte Gülay Kizilocak, Türkei - Koordinatorin am Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung der Universität Duisburg-Essen. Und dass die Zunahme von Autokratisierungstendenzen und Extremismus nicht einzig und alleine ein türkisches Phänomen ist, betonte Ludwig Schulz von der Universität München mit Blick auf das Wahlergebnis in den USA.
Das Spannungsgefüge zwischen der EU und der Türkei, das die Experten zu Beginn noch nicht erwähnt hatten, wurde schließlich zum Leitfaden im Austausch mit den Teilnehmern der Veranstaltung. Die Fragen nach den Fehlern der vergangenen und momentanen Verhandlungen, der Kompatibilität des Kemalismus mit der EU und ob die türkischen Bürger das Konzept einer sich scheinbar auflösenden EU noch attraktiv fänden, diskutierten die Teilnehmer lebhaft. Neben dieser Auseinandersetzung mit den europäischen Beziehungen stand Deutschland im Fokus. Es ging um kontroverse Erfahrungen und Ansichten zum Stillstand beziehungsweise Fortschritt der Integration türkischstämmiger Deutscher und insbesondere um die Fragen, warum sich selbst die vierte Generation türkischer Migranten oftmals noch nicht in Deutschland zu Hause fühle und die Politik Erdogans befürworte. Dabei betonte der Experte von der LMU, Schulz, immer wieder, die Zunahme von populistischen Äußerungen und Verschwörungstheorien zeige sich nicht nur in der Türkei. Das postfaktische Zeitalter, in dem „Cowboy-Vorbilder“ wie Trump, Putin und Erdogan Menschen durch reine Protestargumentation erreichten, spiegele sich in der weltweiten Politik wider.
Den Abschluss der Diskussion lieferte eine Episode Ünlüs, der von seinem Besuch in New Ulm in Minnesota berichtete. Lederhosen, Weißbier und Oktoberfestlieder erwarteten ihn in Amerika. Menschen, die bayrischer als manch ein Münchner seien, sich aber voll und ganz als Amerikaner sehen, stimmten ihn zuversichtlich für türkischstämmige Deutsche: sie hätten jedes Recht, ihre Kultur und Religion zu wahren, wenn sie sich gleichzeitig mit den Regeln und Werten des Landes, in dem sie leben, identifizierten.
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