Transparenz

Das Gut der Gesundheit und die Offenlegung von Interessen

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 02.02.2016

Von: Miriam Zerbel

# Gesellschaftlicher Wandel, Ethik

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Graphic Recording über eine Diskussion zum Thema "Ist Transparenz im Gesundheitssystem möglich?"

Ist Transparenz im Gesundheitssystem möglich? Die Diskussion darüber als Graphic Recording hier festgehalten. (Bild: Gabriele Schlipf)

Es ist ein Zauberwort, allerorten: Mehr Transparenz wird gefordert. Ganz gleich, ob das die Vergütung von Vorständen betrifft, die Nebeneinkünfte von Politikern oder Prämien für die Vermittlung von Verträgen.  Doch Transparenz dient zunächst nur dazu, durch Öffentlichkeit Handeln nachvollziehbar zu machen. Kann es aber auch ein Zuviel an Transparenz geben? Fragen wie diese waren Thema der Transparenz-Tagung in Zusammenarbeit mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Arzneimittelindustrie.

Zunächst ging es allgemein um gesellschaftliche Transparenz. Einen Blick auf die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes warf Roman Beck von der philosophisch-theologischen Hochschule St. Georgen. Dabei unterschied Beck zwischen der objektbezogenen Begrifflichkeit, nämlich Durchsichtigkeit und der lebensweltlichen Metapher. Formelle Transparenz zeige sich wahrnehmungsbezogen, beispielsweise in der Politik als demokratische Kontrolle. Inhaltliche Transparenz im Sinne der Verständlichkeit der Inhalte zeigt sich demnach in rechtlichen Regelungen.

Transparenz ist, wenn ein Licht aufgeht

Beck warnte: „Information alleine reicht nicht.“ Der Empfänger müsse in der Lage sein, sich Informationen aneignen und verstehen zu können. Erst wenn ihm ein „Licht aufgehe“ sei Transparenz erreicht. Sie müsse wahr, vollständig, verständlich und sprachlich angemessen dargestellt sein – eine hohe Anforderung an den Vermittler.

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein blickte aus politischer Perspektive auf das Phänomen Transparenz. „Es ist das zwingende Gebot bei allem, was mit Öffentlichkeit zu tun hat“, sagte Beckstein. Am Beispiel von Parteispenden machte er deutlich, welche Regelungen gelten und ab welchem Betrag, wie und wo die Summen veröffentlicht werden müssen. Das Ziel ist klar: Die Einflussnahme soll klar zu sehen sein.

Transparenz als Voraussetzung für Vertrauen

Transparenz und Vertrauen gehen eine besondere Beziehung ein. Der ehemalige Ministerpräsident formulierte es so: „Transparenz ist die Voraussetzung dafür, dass Vertrauen entstehen kann.“ Öffentlichkeit und Medien haben einen Auskunftsanspruch, Behörden eine Auskunftspflicht. Eigentlich darf die Verwaltung keine Geheimnisse haben, neigt aber nach den Worten Becksteins zur „Geheimniskrämerei“. Auch deshalb gibt es in Deutschland seit 2006 das Informationsfreiheitsgesetz. Moderne Politik und Demokratie leben von der Transparenz, so Becksteins Fazit. Nicht ohne fatalistisch anzumerken: „Es kommt alles heraus, was zwei Personen wissen.“

„Die Transparenz des Fehlermanagements ist der Lackmustest moderner Unternehmensführung.“ Caspar von Hauenschild, Tranparency International

Die wirtschaftliche Perspektive lieferte Capar von Hauenschild, Vorstandsmitglied von Transparency International in Deutschland. Hauenschild sieht in Transparenz keinen Selbstzweck, sondern einen Treiber von Entwicklungen. Denn sie diene dazu, ein „Klima des Verdachts“ zu verhindern, indem sie es unbescholtenen Personen erlaubt, Rechenschaft zu geben. „Die Transparenz des Fehlermanagements ist der Lackmustest moderner Unternehmensführung“, erklärte Hauenschild. In dieser Hinsicht stellte er vielen Banken, Krankenhäusern und Firmen ein vernichtendes Zeugnis aus. Bislang sei dieses transparente Fehlermanagement nicht erreicht. Gelinge das auch künftig nicht, so Hauenschilds Warnung, dann würden die Unternehmen daran zerbrechen.

Warnung vor einseitiger Transparenz

Das Spannungsfeld Transparenz versus Datenschutz nahm der frühere Bundesdatenschutzbeauftrage Peter Schaar unter die Lupe. Schaar machte auf die Folgen der Digitalisierung unserer Gesellschaft aufmerksam. Das Internet der Dinge und die Datensammelwut einiger Internetkonzerne führen demnach letztendlich zu einer einseitigen Transparenz, nämlich der des gläsernen Nutzers. Zudem nutzten Datenschutzerklärungen nichts, die vom Nutzer nur weggeklickt werden, aber nicht rezipiert werden. Bezogen auf Transparenz im Gesundheitswesen verwies Schaar am Beispiel klinischer Studien darauf, dass derjenige, der die Zugänglichkeit von Informationen kontrolliert, auch bestimmt, was veröffentlicht wird.

Auch die wichtige Rolle der Gesundheitswirtschaft machte Thomas Zimmermann aufmerksam. Allein elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland und rund fünf Millionen Beschäftigte gehen auf das Konto der Gesundheitsbranche. Der Markt entwickelt sich nach Einschätzung des ehemaligen gesundheitspolitischen Sprechers der CSU-Landtagsfraktion zwar weiter, ist aber begrenzt. Als Beispiel für ein notwendiges Eingreifen der bayerischen Politik in die Selbstregulierung nannte Zimmermann das Nichtraucherschutzgesetz, wonach rauchen in Innenräumen von Gaststätten verboten ist. Obwohl sich führende Arzneimittelhersteller jüngst zu einem Transparenzkodex verpflichtet haben, genügt das Zimmermann nicht. Er sieht die Politik in der Rolle des Schiedsrichters.

Transparenz als Prozess

Ob völlige Transparenz im Gesundheitsbereich möglich ist, diskutierten im Anschluss die Teilnehmer. Aus Sicht von Holger Diener von der Freiwilligen Selbstkontrolle für Arzneimittelindustrie (FSA) ist das ein Prozess für den klare Regeln notwendig sind wie beispielsweise der  Transparenzkodex: Kooperationen von Ärzten und Herstellern werden systematisch erfasst und bis Mitte des Jahres für eine Publikation im Internet aufbereitet. Wolf-Dieter Ludwig von der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft warnte vor einer Gefährdung der ärztlichen Reputation, wenn zu wenige Anstrengungen unternommen werden, die Transparenz zu gewährleisten.

Verschwinden Interessenkonflikte, weil sie offen gelegt werden? Reinhard Kirchner, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG), warnte vor Transparenz als Selbstzweck und forderte die Patienten zu beteiligen und zum Akteur zu machen. Der Präsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst, setzt auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, das nicht belastet werde dürfe. Wirtschaftliche Verflechtungen transparent machen und so Korruptionsverdacht entgegenwirken, lautete sein Vorschlag.

Neue Methoden

Methodisch ging die Transparenz-Tagung in Tutzing neue Wege. Alle Referate, Impulsvorträge und Workshops moderierte Tina Gadow und band so nicht nur Teilnehmer und Referenten, sondern auch die Tagungsleiter als aktive Diskutanten ein.  Ein neues Tagungstool war das Graphic Recording. Die Grafikerin Gabriele Schlipf bannte quasi als Simultandolmetscherin Inhalte und Stimmungen während der Veranstaltung visuell. Einen Eindruck davon liefert unsere Bildergalerie unterhalb.


Bildergalerie

Flickr APB Tutzing

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing

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Artikel in Ärztezeitung


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