Panzerschlachten und Drohnenschläge

Von der konventionellen zur neuen Kriegsführung?

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 08.03.2016

Von: Miriam Zerbel und Teresa Rupp

# Sicherheitspolitik und Terrorismus

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Verwischen von Krieg und Nicht-Krieg, offene und verdeckte Operationen, diplomatischer Druck neben wirtschaftlichen Sanktionen - immer häufiger ist von hybrider Kriegsführung die Rede. Auch wenn die Taktiken dahinter so alt sind wie das Kriegsgeschehen selbst. Mit dem Ende des Kalten Krieges haben sich allerdings nicht nur die Bedrohungsszenarien geändert, sondern auch die entsprechenden Antworten. Waffentechnologien ändern sich zu autonomen Systemen und wandeln die Kriegslogik. Haben konventionelle Kriege im 21. Jahrhundert ausgedient?

Diese Frage beschäftigte Fachleute und Teilnehmer der Tagung in verschiedenen Facetten. Den Anfang machte Professor Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München mit seinem Vortrag, in dem er seine Thesen zuspitzte, um zur Diskussion anzuregen. In seiner ersten These macht Masala deutlich: „Krieg als Phänomen internationaler Politik hat nie aufgehört zu existieren.“ Weder seien innerstaatliche Kriege neu, noch die hybride Kriegsführung wie sie beispielsweise in Guerillakriegen zum Ausdruck komme, ganz gleich, ob Widerstand gegen die Besatzungsmacht wie in Afghanistan und im Irak oder im Partisanenkrieg während des Zweiten Weltkriegs. In Anspielung auf den preußischen Kriegstheoretiker Carl von Clausewitz sagte der Wissenschaftler:

„Krieg war, ist und bleibt ein wahres Chamäleon“ Prof. Carlo Masala

Auch wenn der Krieg als klassisches Instrument zur Auseinandersetzung zwischen Staaten nie die Bildfläche verlassen hat, so hat er sich dem Forscher zufolge doch verändert. Als äußerst unwahrscheinlich schließt er einen Nuklearkrieg zwischen den Großmächten aus. Seltener werden demnach auch Kriege zur territorialen Expansion, schlicht, weil sie zu teuer sind. Dagegen existieren Kriege als Instrument zur Disziplinierung weiter, meist in einem asymmetrischen Kontext gegen schwächere Staaten.

Dämonisierung der Gegner

Ein neues Phänomen der Kriegsführung sieht Masala in einem Krieg, der erst endet, wenn der Machthaber tot oder vertrieben ist. Das geht einher mit der Dämonisierung des Gegners, mit dem weder Verhandlungen, noch Kompromisse möglich sind und der bis zum Letzten kämpft, weil er mit dem Rücken zur Wand steht und nichts zu verlieren hat. Zudem hat sich die Form der Kriegsführung verändert. Innenpolitisch sind klassische Kriege nicht mehr durchsetzbar. Weil die Gesellschaften immer weniger zum Blutzoll bereit sind, muss das Risiko für die Soldaten minimiert werden, was zu einem verstärkten Einsatz der technologisch überlegenen Luftwaffe führt.  Allianzen mit Konfliktparteien vor Ort ersetzen die Bodentruppen. “Das führt zu der Wahl zwischen böse und noch schlechter“, erklärt Masala und warnt vor den politischen Konsequenzen.

Sorgenkind Asien

In Afrika und im Nahen und Mittleren Osten geht es dagegen um territoriale Neuordnungskriege. Masala sieht diese Mächte in einer Phase „ihres eigenen 30jährigen Kriegs“. In Asien konstatiert er mit Blick auf Hypernationalismus, Aufrüstung und machtpolitische Neuordnungspläne eine hochexplosive Gemengelage, ähnlich der in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Mit dem Unterschied, dass dort mittlerweile Nuklearwaffen zur Verfügung stehen.

Einsatz von Drohnen

Dr. Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung schloss sich der Analyse von Professor Masala an. Hybride Kriegsführung sei nicht nur bereits in der Vergangenheit als militärische Strategie verwendet worden. Auch das sogenannte „targeted killing“, also die gezielte Tötung von Personen, sei kein neues Phänomen. Lediglich die technischen Möglichkeiten hätten sich verändert. Drohnenangriffe seien zwar kurzfristig scheinbar effektiv, mittel- und langfristig aber problematisch, da die Reaktionen des Gegners ebenfalls berücksichtigt werden müssten. Und der reagiere mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, also beispielsweise terroristischen Attentaten.

Leben unter Drohnengefahr

Dr. Jodok Troy von der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck stellte „eine generelle Tendenz, Gewalt als Mittel der Selbstverteidigung präventiv einzusetzen“ fest. Die Erfahrung einer dauerhaften Bedrohungssituation durch mögliche Drohnenangriffe aus der Luft habe vor allem Auswirkungen auf die von diesen Präventivmaßnahmen betroffene Zivilbevölkerung. Insbesondere „Bystanders“, also Zeugen von Drohnengewalt, würden durch diese Erlebnisse ermutigt, sich selbst gegen die Bedrohung zu wehren und somit für Extremisten empfänglich.

Warnung vor Zweiklassengesellschaft

Troy kritisierte darüber hinaus, Drohnengewalt unterstütze die Entstehung eines Zweiklassensystems in der Gesellschaft. Während Drohnen vor allem eingesetzt werden, um das Leben der eigenen Soldaten in der Angriffssituation nicht zu gefährden, werde das Leben der Menschen, auf die gezielt werde, im Vergleich dazu als weniger wertvoll eingestuft. „Die Entfernung erleichtert das Töten“, schlussfolgerte Troy.

Drohnenabwurf – eine Menschenrechtsverletzung?

Die Rechtslage für den Einsatz von Drohnen stellte Dr. Robert Frau von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) dar. Menschenrechte seien „Abwehrrechte gegen den Staat“. Das Problem sei, dass Staaten nur auf eigenem Boden dazu verpflichtet seien, sich an die Menschenrechte zu halten. Für das Ausland gelte die Verpflichtung nur dann, wenn der Staat eine effektive Kontrolle ausübe. Dies sei bei einem Überflug mit Bombenabwurf nicht der Fall, weshalb keine Menschenrechtsverletzung vorliege.

Globale Bedrohung – was tun?

Neue Bedrohungen führen zum Einsatz neuer Technik, die wiederum zur Radikalisierung der angegriffenen Bevölkerung führen kann. Ein ewiger Kreislauf?  Wie kann auf europapolitischer Ebene reagiert werden? Im Juni dieses Jahres wird die EU eine neue Strategie der Außen- und Sicherheitspolitik vorstellen. Oliver Rentschler, stellvertretender Kabinettschef bei der Hohen Vertretung der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini, präsentierte bereits auswählte Eckpunkte. Er führte unter anderem auf, die EU müsse ihren inneren Zusammenhalt unter Beweis stellen und geschlossen auftreten, um so auch nach außen glaubwürdig zu erscheinen. Darüber hinaus müsse in Resilienz investiert werden, unter Einbeziehung der unmittelbaren Nachbarschaft und mehr in Partnerschaften gearbeitet und gedacht werden.  Nur so könne mehr Sicherheit gewährleistet werden.

 


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