EU und NATO im Einsatz
Die Rolle der Bundeswehr in internationalen Konflikten / Fortbildung Internationale Politik
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 14.07.2016
Von: Isabella Zimmer
Foto: APB Tutzing
# USA, Sicherheitspolitik und Terrorismus
Download: EU- und NATO-Einsätze und deren Bedeutung für die Bundeswehr
So erläuterte der Direktor des Austria Instituts für Europa und Sicherheitspolitik in Wien Arnold Kammel zunächst Leitgedanken der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Dabei führte Kammel die Teilnehmer zurück zu der 1950 erhofften, allerdings an Frankreichs Veto gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und betonte, wie wichtig diese angesichts des jüngst entschiedenen Brexit sei. Allerdings gäbe es für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU gerade deswegen so viele Hindernisse, weil die Zeit noch nicht reif sei, „das Heft komplett aus der Hand und nach Brüssel zu geben“, meint Kammel. Die Länder fürchteten bis vollständige Abgabe der nationalen Souveränität.
Die GSVP: Ein zahnloser Tiger?
Außerdem seien Entwicklungen auf EU- Ebene auch deswegen das Ergebnis eines langjährigen Prozesses, weil Entscheidungen der NATO und der OSZE auf dem Konsensprinzip beruhten. Die Missionen und Operationen der GSVP beurteilte Kammel skeptisch. Mit ihren vielfältigen Instrumenten (zivile Fähigkeiten, Kapazitäten- und Wiederaufbau, militärische Eingriffe) übernehme sich die EU und gehe realitätsfernen Plänen nach. So habe die Sicherheitsstrategie von 2003 ihr Ziel, einen Sicherheitsring um die EU zu bilden, verfehlt, und das 2004 eingeführte Battle Group Konzept wurde nie wirklich eingesetzt. Dennoch sah Kammel in diesem Comprehensive Approach der EU eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit, welche, sollten alle Bausteine richtig gelegt werden, eine Brücke zwischen Hard- und Soft-Power bilden könne.
Was hat die GSVP mit dem Brexit zu tun? Alles und nichts
Die direkten Konsequenzen eines Brexit würden in der GSVP bald spürbar, argumentierte Kammel, auch wenn die Beziehung zwischen EU und Großbritannien selten harmonisch war. Zwar könnte eine EU der 27 mehr Konsens in Sachen Sicherheitspolitik finden, allerdings führe der Austritt Großbritanniens zu einem erheblichen Gewichts- und Einflussverlust auf internationaler Ebene. Die einzige Hoffnung für Europa sei nun ein EU-Sitz in den Vereinigten Nationen. Die Brexit-Verhandlungen würden mindestens 2 Jahre dauern, bis dahin bleibe die Frage nach der Zukunft des Vereinigten Königreichs ungewiss.
Zur aktuellen Lage im Israel-Palästina-Konflikt berichtete mit Fokus auf das Sicherheitsparadigma die Konfliktforscherin Dorthe Siegmund von der Universität der Bundeswehr München. Sie erörterte die Auswirkungen der mangelnden menschlichen Sicherheit in Israel und Palästina. Die Denkweise in Opfer-Täter-Kategorien legitimiere die Gewalt der eigenen Seite gegen die als feindlich wahrgenommene andere Konfliktpartei, was wiederum dazu beitrage, dass die Spirale von Gewalt und Gegenwalt aufrechterhalten wird. Gewalt werde häufig als legitimes Mittel zur Wahrung nationaler Ziele gesehen – auf israelischer Seite Sicherheit, auf palästinensischer Seite Freiheit. Siegmund diskutierte in diesem Zusammenhang auch alternative, gewaltfreie Konzepte wie das Engagement von Israelis und Palästinensern in Friedens-NGOs.
Eindämmungsstrategien: Vom Kalten Krieg zum „Islamischen Staat“
Jodok Troy (Universität Innsbruck) beschrieb die Eindämmung der UdSSR während des Kalten Krieges, sowie die Bekämpfung des „Islamischen Staates“ heute. So erläuterte Troy, dass die USA seit einigen Monaten den "Islamischen Staat" zwar erfolgreich eingedämmt hätten, dieser Einsatz müsse jedoch auch moralisch vor der Bevölkerung begründbar sein. Die Eindämmung einer politischen Bewegung führe unweigerlich dazu, dass diese sich mit allen Mitteln zu wehren versuche, erklärte Troy und bezog sich dabei auf die Rote Armee Fraktion in Deutschland. Man müsse im heutigen Kampf gegen den "IS" Vorbildern wie dem Diplomaten George Kennan folgen, welchem eine vorurteilsfreie Analyse der Position der UdSSR zu Beginn des Kalten Krieges gelungen sei. Diese Art von neutraler Analyse fehle heute oftmals, was Konflikte eher anheize statt einzudämmen.
Afghanistan, Syrien, Libyen, Irak: Ein Flickenteppich für NATO und die EU
Im weiteren Verlauf der Tagung wurden konkrete Einsätze der NATO sowie der Bundeswehr in Krisengebieten weltweit behandelt. Gerlinde Groitl (Universität Regensburg) diskutierte die Entwicklung von Operation Enduring Freedom bis hin zum Resolute Support, wobei Groitl den Teilnehmern die Unterschiede zwischen Counter- Terrorism und Counter-Insurgency (COIN) näher brachte. Weiter gebe es ein Spannungsfeld zwischen der militärischen und der politischen Einsatzdimension. Groitl sah in der Afghanistan-, aber auch in der Iraq-Intervention einen möglichen Wendepunkt für NATO- und Bundeswehreinsätze. So habe es in Deutschland lange gedauert, bis der „Selbstbetrug in Afghanistan“ endlich offen als Krieg bezeichnet wurde.Abschließend informierte Christine Straßmaier (Women in International Security und MEIA Research) über die Rolle der Bundeswehr in Syrien und in Libyen (dazu mehr im Tagungsbericht „Den Syrienkonflikt verstehen“ aus dem Herbst 2014). Aufgrund bestehender Herausforderungen wie beispielsweise einer möglichen Zusammenarbeit zwischen dem "IS" und Boko Haram liege Libyen zunehmend im Fokus künftiger EU-Einsätze, betonte Straßmaier, wobei die Rolle der Bundeswehr allerdings weiterhin kompliziert und unklar bleibe.
Unsere Fortbildung Internationale Politik „EU- und NATO-Einsätze und deren Bedeutung für die Bundeswehr“ fand in Kooperation mit dem Systemzentrum Luftfahrzeugtechnik Penzing statt. Wir danken den Teilnehmern der Bundeswehr Penzing für die gute Zusammenarbeit.
Dr. Anja Opitz
Tel: 08158 / 256-54
a.opitz@apb-tutzing.de
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