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'Make America Great Again'?

Die Präsidentschaftswahl in den USA und ihre Folgen

APB-Tutzing Akademiegespräch USA

Tutzing / Akademie-Gespräch Tagungsbericht / Online seit: 20.12.2016

Von: Miriam Zerbel

Foto: APB Tutzing

# USA, Sicherheitspolitik und Terrorismus

Download: Die USA nach der Wahl: Neues Kapitel in der Weltpolitik?


Das Interesse am Akademiegespräch war groß, der Oberreuter-Hörsaal vollbesetzt. Nach der Wahl in den Vereinigten Staaten machen sich auch in Deutschland viele Menschen Gedanken. Kein Übergang in der jüngeren US-Geschichte war bislang ähnlich von Unsicherheiten und Orientierungslosigkeit geprägt wie diese. Wie verändern die neuen Machtverhältnisse die USA? Welche Auswirkungen wird Trumps Präsidentschaft auf die transatlantischen Beziehungen und Europa haben? Diese Fragen besprachen der Politikwissenschaftler Professor James W. Davis von der Universität St. Gallen und der Amerikanistik-Professor Volker Depkat von der Universität Regensburg.

Beide Wissenschaftler analysierten den Wahlausgang in einem kurzen Rückblick auf den 8. November. Während Depkat dem designierten Präsidenten Trump einen Exotenfaktor mit Entertain-Qualitäten bescheinigte, bemühte Davis Kategorien der Anthropologie. Nicht Fakten oder wirtschaftliche Interessen haben demnach die Wahl bestimmt, sondern Identitätsfragen.

„Im Wahlkampf ging es um unsere Gruppe und jene Gruppe, `us against them´, quasi ein Stammesverhalten.“ Prof. James W. Davis

Davis, der zum Wahlkampf Team von Hillary Clinton zählte, resümierte, schon der noch amtierende Präsident Obama habe versucht, die Wähler durch Methoden wie microtargeting also die individuelle Zuspitzung der Botschaften auf unterschiedliche Bedürfnisse der Zielgruppen zu mobilisieren. Im Gegensatz zu Clinton, die auf eine eher traditionelle Wahlkampfstrategie gesetzt habe, sei es Trump gelungen diese Methode nun zu perfektionieren. Zusätzlich sei er wegen seiner unorthodoxen Äußerungen häufig in den klassischen Medien vertreten gewesen.

"California-Care statt Obama-Care"

Die Forscher bekannten, sie hätten unterschätzt, wie tief der Rassismus, den sie seit dem amtierenden Präsidenten Barack Obama überwunden glaubten, noch in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt ist. Ob der Kongress einen Präsidenten Trump unterstützen wird, bezweifelte der Amerikanistik-Professor Depkat. Die Abgeordneten seien lokal und dezentral ausgerichtet, ihrer Wählerschaft vor Ort verpflichtet. Ein Heißsporn wie Trump werde sich schwer tun, in geduldigen Verhandlungen die nötigen Allianzen zu schmieden. Die Hoffnung ruht nun auf den föderalistischen Elementen wie den einzelnen Bundestaaten. „Wir werden dann California-Care statt Obama-Care haben“, prophezeite Politologe Davis. Sowohl Davis als auch Depkat gehen von einer weiteren Polarisierung aus. Beide sind der Ansicht, dass sich Republikaner und Demokraten in Washington gegenseitig blockieren und sie wenig kompromissbereit sind.

„In den Parteien gibt es kaum noch moderate Kräfte. In den vergangenen 20 Jahren haben zunehmend die Radikalen das Sagen“ Prof. Volker Depkat

Zentrale Frage, so das Fazit der Forscher, ist, was mit der amerikanischen Demokratie passiert, wenn Trump entzaubert ist, weil er die auf ihn projizierten Hoffnungen nicht erfüllen kann, die Industriejobs nicht in die Staaten zurückbringen kann. Die Wissenschaftler sehen die Zukunft als eine generationelle Frage. Die Jungen wüchsen schon in eine andere, transformierte Volkswirtschaft hinein und verlangten nach einer anderen politischen Kultur.

Alte Gegner - neue Partner?

Was außenpolitisch zu erwarten ist, blieb aus Sicht der Forscher bislang meist im Vagen. Das hängt auch damit zusammen, dass eine Vorhersage allein deshalb schier unmöglich ist, weil Trump keine Polit-Profis im Präsidententeam hat, die sich mit politischen Traditionen oder mit bürokratischen Abläufen auskennen. Stand das Land bislang für eine regelbasierte internationale Ordnung, für Freihandel und für die Nato, stellte der künftige Präsident diesen Grundkonsens zumindest im Wahlkampf in Frage. Könnten aus alten Gegnern neue Partner werden? In den USA interessiert sich nach Davis Einschätzung niemand für eine Annäherung an Russland.
Im europäisch-amerikanischen Verhältnis konstatierte der Historiker Depkat eine kontinuierliche Auseinanderentwicklung der transatlantischen Beziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges. „Wir befinden uns in einer Phase der dramatischen Veränderungen“, folgerte Davis „und es ist normal, dass wir aktuell mehr Fragen als Antworten haben“. Die Reaktionen in Europa auf den Ausgang der Wahl seien den Amerikanern nicht völlig, aber ziemlich egal. Den Europäern hingegen ist es nicht gleich, wer in Washington im Weißen Haus sitzt, wie schon die aktuellen Diskussionen und Reaktionen auf die Trump-Wahl zeigen. „Wenn wir die anderen anschauen, lernen wir auch viel über uns selbst“ resümierte Akademiedirektorin Münch.

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