Feinde, Freunde, Fremde?

Deutsche Perspektiven auf die USA

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 20.05.2015

Von: Carina Schmotz

# USA

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Sind wir nicht alle schon längst Amerikaner? Oder ist es eher unsere Ablehnung der USA, die unser Amerikabild bestimmt? Im Laufe der Zeit änderte sich das Bild der Deutschen mit Blick auf die USA in Verbindung mit geschichtlichen, politischen und sozialen Ereignissen. Denn gleichgültig war den Deutschen Amerika nie. In unserer Tagung über die deutsch-amerikanischen Beziehungen diskutierten Historiker, Amerikanisten sowie Politik- und Literaturwissenschaftler, dass die USA oft zugleich Feind, Freund und fremd waren und sind.

„Rivalen der Moderne“

So beschreibt Professor Konrad Jarausch, University of North Carolina at Chapel Hill, die unterschiedlichen Wege der USA und Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert. Amerika bewunderte Deutschland als ein dynamisches, aber autoritäres Land mit einem großen Kulturangebot und andersherum schätzten nicht nur die deutschen Auswanderer die individuelle Freiheit in Amerika. Im Ersten Weltkrieg mündeten diese Gegensätze dann in die kriegerische Auseinandersetzung von zwei Systemen der Moderne, dem autoritären Deutschland gegen das liberale Amerika. Nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings spielte sich der Kampf der „Moderne“ an einer anderen Front ab: Im geteilten Deutschland. Auf der westlichen Seite stand die soziale Marktwirtschaft mit einer amerikanisierten Populär- und Konsumkultur, auf der östlichen die sowjetische Modernisierung unter einer neuen Diktatur. Ein weiterer Abschnitt der Moderne ist die Globalisierung nach 1990: „Wir sind in einem Übergang von einer modernen zu einer postindustriellen Gesellschaft“, so Jarausch.  Auch heute könnten beide Länder voneinander lernen. Deutschland zum Beispiel biete soziale Sicherheit, ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein und gewaltfreie Lösungen in internationalen Konflikten, Amerika dagegen ein dynamisches Wirtschaftssystem und globale Sicherheitsbemühungen.

Die politischen Beziehungen Deutschlands und der USA

Dass Deutschland sich nach 1945 überhaupt wieder als Alternative zu den USA anbieten konnte, verdankt es vor allem den USA, sagte Professor Rolf Steininger von der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.  „Nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte Westeuropa die USA, um vor den Sowjets bewahrt zu werden“. Deutschland war in dieser Zeit der symbolische Zankapfel zwischen den West- und Ostmächten. Mit dem Bekenntnis Adenauers zum Westen verbesserte sich die Beziehung der USA und Deutschlands, wobei diese stets auch von der Harmonie zwischen den jeweiligen Staatchefs abhing. Ein Beispiel dafür ist die Beziehung von Ronald Reagan und Helmut Kohl, die sich sympathisch waren. „Reagan war für Kohl ein Grundpfeiler seiner Politik“, so Steininger. Ganz im Gegenteil dazu war das Verhältnis von Willy Brandt und Richard Nixon von Misstrauen geprägt. Nixons Anweisung an Henry Kissinger lautete: „Absolut nichts tun, was Brandt hilft“.

Die Deutschen und die Native Americans

Auch in der Zeit vor dem Kalten Krieg waren die Beziehungen der USA und Deutschlands nicht unproblematisch. Die Nationalsozialisten hetzten gegen das moderne Amerika und sympathisierten mit den Ureinwohnern Nordamerikas. „Die Liebe zur Natur, das kriegerische Wesen und den Drang nach Widerstand und Freiheit verbanden die Deutschen mit den Indianern“, so Dr. Frank Usbeck von der Technischen Universität Dresden. Deshalb wurde die USA als Schurkenstaat dargestellt, der die Indianer und die Deutschen von einer „organischen Gemeinschaft“ in eine künstliche Gesellschaft verwandeln wollte. Auch in der DDR riss der Indianerkult nicht ab: Die DDR-Bürger fühlten sich mit den aufständischen Native Americans verbunden, die sich gegen Kapitalismus und Imperialismus wehrten.

Feindesland und Sehnsuchtsort der DDR

Das Verhältnis der DDR-Bürger zu den Native Americans war ziemlich eindeutig, ganz im Gegensatz zu dem Verhältnis zur USA und ihren Trends. So kristallisiert sich eine Widersprüchlichkeit im Amerika-Bild heraus: Auf der einen Seite die Sehnsucht nach dem westlichen Leben und dessen Kultur, auf der anderen Seite die Ablehnung des Kapitalismus und der vermeintlich „schlechte Einfluss auf die Jugend“, so Dr. Daniel Kosthorst vom Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Partiell versuchte die SED zwar, eine Bindung zum Westen aufzubauen und typisch amerikanische Produkte durch Ost-Imitate zu ersetzten, allerdings ohne große Erfolge. Dafür fand aber eine „Selbstamerikanisierung“ in der DDR-Jugend statt und es entstanden Untergrundbewegungen wie Hip-Hop oder "Rollbrettfahren".

Doch nicht jeder junge Bürger ging mit dieser modernen Bewegung mit: „Es gibt eine große Breite an verschiedenen Typen einer Alterskohorte“, so Volker Benkert von der Akademie für Politische Bildung. Er unterteilte die Generation, die um 1970 geboren wurde, in sieben Kategorien. Beispielsweise gab es die Verweigerer des Systems der DDR, die nach der Wiedervereinigung als Sieger hervorgingen. Im extremen Gegensatz dazu die Verlierer, also die Jugendlichen, die die zukünftige Führungselite werden sollte.

„Ein traumatisierender Wendepunkt“

Im Jahr 2001 erschütterte der Terroranschlag vom 11. September die deutsch-amerikanische Beziehung. „Die USA sah sich selbst bedroht und Deutschland konnte das nicht wirklich nachvollziehen“, so Professor Franz Eder von der Leopold-Franzens Universität Innsbruck. Er beschreibt den Tag als einen traumatisierenden Wendepunkt für Amerika, aus dem der Irakkrieg entstand. Die Zurückhaltung Deutschlands in dem Krieg war einerseits wahltaktisch begründet, andererseits auf die Vergangenheit der Bundesrepublik im 20. Jahrhundert zurückzuführen. „Das Verhältnis der Länder liegt zwischen Freund und Feind, also ein Rivale, aber es normalisiert sich wieder“, so Eder.

Aber der NSA-Abhör-Skandal und das geplante Welthandelsabkommen TTIP könnten das Verhältnis beeinträchtigen. Rolf Steiningers Bilanz: „Aus Feinden wurden 1945 Freunde, seit dem 11. September ist es wieder schwieriger geworden. Werden nach dem NSA-Skandal aus Freunden Fremde?“


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