Vom Kampf ohne Waffen

Ukraine und IS: Manfred Weber über sicherheitspolitische Aufgaben für Europa

München / Tagungsbericht / Online seit: 30.01.2015

Von: Sebastian Haas

# Naher und Mittlerer Osten, Osteuropa und Russland

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Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing

Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz 2015 haben die Akademie für Politische Bildung Tutzing, das Institut für Europäische Politik (IEP) Berlin sowie die Europa-Union München und die Griechische Akademie zu einer Abendveranstaltung in die IHK Akademie München eingeladen. Manfred Weber, Vorsitzender der Konservativen im Europäischen Parlament, sprach zum Thema „Die EU vor neuen außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben: Ukrainekrise und IS-Terror als zentrale Herausforderungen“ – und fand deutliche Worte gegenüber der russischen Führung.

Manfred Weber, in Niederbayern aufgewachsen und dort noch heute CSU-Bezirksvorsitzender, ist mittlerweile ein Schwergewicht der europäischen Politik. Als Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament prägt er die Stoßrichtung der 221 konservativen Abgeordneten, stärkt damit die Position von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und ist wohl der Parlamentarier, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel am häufigsten über Europapolitik spricht.

"Russlands Verhalten ist inakzeptabel"

Webers Wort hat also Gewicht – und eindeutig gewichtete er auch seine Ausführungen gegenüber den 250 Gästen der Akademie für Politische Bildung Tutzing. Das Verhalten Russlands in und gegenüber der Ukraine sei für die Europäische Union inakzeptabel, das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig gestört. „Man muss auf der Seite derer stehen, die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten“, und das ist in der Sicht Webers keinesfalls Russland. In diesem Zusammenhang sieht der EVP-Fraktionsvorsitzende auch mit Sorge, dass die neue griechische Regierung ein Veto gegen verschärfte Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland erwogen hatte: „Das sorgt nur für weitere Unsicherheit in der europäischen Politik.“

Die EU kämpft ohne Waffen

Eine enorme Destabilisierung der Sicherheitslage Europas droht auch durch den Krieg der Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und als Teil des Bürgerkriegs in Syrien. „Wir dürfen weder die kurdischen Kämpfer im Kriegsgebiet noch die humanitären Helfer im Libanon, in Jordanien und in der Türkei alleine lassen“, erklärte Weber und merkte selbstkritisch an, dass sich die EU in Bezug auf Syrien früher und deutlicher hätte positionieren müssen. Er entwarf dabei ein Modell der werteorientierten Außenpolitik und stellte die EU als Vertreter der soft power dar: kein direktes militärisches Eingreifen in die angesprochenen Konflikte, dafür Diplomatie, Wirtschaftssanktionen, Förderung der Entwicklungshilfe und des interkulturellen Dialogs.

Auf den Impulsvortrag Manfred Webers folgte eine Podiumsdiskussion, an der neben dem Europa-Parlamentarier der IEP-Direktor Professor Mathias Jopp, Professor Martin Schulze Wessel (Sprecher der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien an der Ludwig-Maximilians-Universität München) und der Publizist und ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Professor Walther Stützle teilnahmen.

"Russland nicht in die Knie sanktionieren"

Jopp und Schulze Wessel konstatierten, dass die europäische Sanktionspolitik die Vertrauensbasis zu Russland nachhaltig schwäche – sahen aber vor allem die Regierung Putin in der Pflicht, erste Schritte zur Stabilisierung in der Ukraine und des europäischen Friedens zu gehen. Walther Stützle sieht das anders. Noch vor wenigen Wochen hatte der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium einen vieldiskutierten Aufruf zum Dialog mit Russland initiiert, der in der Tradition der Kanzler steht, die in den vergangenen Jahrzehnten das Ost-West-Verhältnis von deutscher Seite aus mitgeprägt haben: Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl. „Man kann Russland nicht in die Knie sanktionieren, einen Staatsbankrott kann Europa nicht wollen und wird übrigens auch China nicht zulassen“, meinte Stützle und betonte weiter: „Die europäische Sicherheitspolitik ist ein Nichts. Der erste Gesprächspartner Russlands ist der Präsident der Vereinigten Staaten, und nicht der der EU-Kommission.“

Verhandeln, verhandeln, verhandeln

Manfred Weber widersprach heftig: „Die Europäische Union ist verpflichtet zu handeln. Und wir verhandeln, verhandeln, verhandeln.“ Aber auch Matthias Jopp betonte, dass die EU von Russland erst als außenpolitischer Akteur ernst genommen werde, wenn die erste Reihe europäischer Politiker deren Außenpolitik bestimme – und nicht eine sichtbar bemühte Federica Mogherini, die für die meisten eben ein unbeschriebenes Blatt ist. In diesem Zusammenhang wiesen die Diskutanten auf dem Podium darauf hin, dass gerade die umstrittene – und derzeit von der europäischen Diplomatie gemiedene – russische Führung eigentlich im Kampf gegen den islamistischen Terror im Irak und in Syrien benötigt werde. Umso wichtiger sei es, dass die Achse Frankreich-Deutschland-Polen in ihrer Haltung einig bleibe. Angst vor griechischen Sondergängen in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik bestand bei den Wissenschaftlern übrigens nicht.

Die Abendveranstaltung am 29. Januar 2015 fand in den Räumen der IHK Akademie München statt. Wir bedanken uns bei der IHK für München und Oberbayern für die freundliche Aufnahme und beim stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Dr. Manfred Gößl für sein einleitendes Grußwort, in dem er die sicherheitspolitische Stabilität in Europa als Grundvoraussetzung für eine sichere Wirtschaftsentwicklung hervorhob.

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