Tutzinger Journalistenakademie

Werkstattseminar zur Zukunft der Radionachrichten

Baden-Baden / Tagungsbericht / Online seit: 28.10.2015

Von: Michael Schröder

# Medien

Download: Tutzinger Journalistenakademie: Zukunftswerkstatt Radionachrichten

Die Medien unterliegen in digitalen Zeiten einem rasanten Wandel. Das Radio ist da nicht ausgenommen. Vieles muss anders werden. Auch die Nachrichten. Daran arbeiteten Radiomacher aus ganz Deutschland, die sich in Baden-Baden zur "2. Zukunftswerkstatt Radionachrichten" trafen.

Rita Vock weiß, wovon sie spricht. Sie ist Nachrichtenredakteurin beim Deutschlandfunk in Köln und im Vorstand der Initiative Nachrichtenaufklärung. Sie sagt: "Unsere professionelle Wahrnehmung hat blinde Flecken." Themen würden vernachlässigt. Das heiße nicht, dass sie nur einfach vergessen werden. "Es geht um strukturelle Vernachlässigungen." Positive Themen würden zu selten berücksichtigt. Journalismus neige zum Negativismus. Außerdem gebe es geografische blinde Flecken – zum Beispiel Afrika. Und in der Konfliktregion Ukraine hätten ARD und ZDF keine Korrespondentenbüros.

Ebenfalls vernachlässigt werden Dauerhaftes und Kompliziertes. Oft fehle der lange Atem, an einem Thema dranzubleiben. Stattdessen gingen die Redaktionen zu oft den professionellen PR-Strategen aus Politik und Wirtschaft auf den Leim und machten sich zu Lautsprechern des ewig Gleichen. Und wenn mal wieder „Los wochos-Journalismus“ (Wolfgang Michal) angesagt ist? Wenn die Nachrichten tagelang nur ein beherrschendes Thema haben? Dann steigt die Gefahr der Vernachlässigung anderer, deswegen nicht unwichtiger Themen: Was ist eigentlich in Mali los? Und was ist mit Boko Haram in Nigeria? Und was wurde aus den inhaftierten Demonstranten vom Gezi-Platz in Istanbul?

Mehrwert bieten

Christoph Ebner ist überzeugt, dass sich Radio verändern muss, wenn es im Internetzeitalter überleben will. Online-Quellen gibt es vielfach, da braucht der Nutzer nicht mehr unbedingt sein Radio. Der Leiter der SWR-Nachrichtenredaktion ist überzeugt: "Wenn Inhalte schon vor der Sendung beim Hörer sind, müssen die Redaktionen einen Mehrwert bieten." Sie müssten mehr vermitteln als das, was heute sowieso alle im Netz anklicken. Sortieren, gewichten und einordnen – das seien die zukünftigen Aufgaben jenseits des Geschäfts mit Neuigkeiten: "Der Hörer muss auch emotional erleben, dass wir live sind." Das heiße auch: Fehler zulassen und korrigieren. So könne man verlorenes Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Medien zurückgewinnen. Ebner forderte "Mut zur Lücke": "Wir müssen nicht alles senden. Auf routinierte 'Wasserstandsmeldungen' aus Ministerien und Staatskanzleien können wir und die Hörer gerne verzichten."

Die kreative Arbeit an Ideen für die Redaktionen von morgen war auch bei der 2. Nachrichtenwerkstatt ein fester Bestandteil des Seminars. In drei Gruppen wurden Modelle für das trimediale Radio der Zukunft entwickelt und ausprobiert. In den Studios des SWR konnten die Konzepte gleich sendereif gemacht werden. Doppelmoderationen, mehr erzählen als vorlesen, O-Töne, Geräusche – das waren nur einige der Rezepte für die Nachrichten von morgen. Wie sich das anhört, steht im Blog zur Werkstatt.

Die Zukunftswerkstatt fand in Zusammenarbeit mit der ARD.ZDF Medienakademie und dem Südwestrundfunk statt.


Linktipp: Inititative Nachrichtenaufklärung


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