Recht brauchbar
Tutzinger Journalistenakademie: Aktuelles juristisches Rüstzeug für die Praxis
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 18.06.2015
Von: Liza Soutschek
# Medien, Medienethik
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Was dürfen Medien, was dürfen sie nicht? Diese Frage stellt sich häufig ganz praktisch im journalistischen Alltag: Soll ich die Schlagzeile so drucken? Kann ich dieses Bild veröffentlichen? Und: Wie sieht es im Zweifelsfall eigentlich mit Haftungsansprüchen aus? Die Entscheidung folgt oftmals aus dem Bauch heraus, nach der Einstellung „wird schon schiefgehen“ oder „das versendet sich sowieso“. In Zeiten, in denen sich Medieninhalte fast unbegrenzt verbreiten können und nahezu dauerhaft abrufbar sind, ist ein fundiertes Wissen im Bereich Medienrecht allerdings unabdingbar.
Recht brauchbar
In der Tagung „Recht brauchbar“ wurde den teilnehmenden Medienvertretern genau dieses juristische Rüstzeug für die journalistische Praxis vermittelt. Johanna Onischke, Rechtsanwältin im Bereich Medienrecht mit langjähriger Erfahrung, hat es sich in dem zweitägigen Seminar zum Ziel gesetzt, durch die Vermittlung theoretischer Grundlagen sowie anhand einer Vielzahl von teils amüsanten Beispielen aus dem Alltag mit „ungesundem Halbwissen“ aufzuräumen.
Meinungen und Tatsachen
Nach einem Blick auf die juristischen Eckpfeiler jeder Medienarbeit in Deutschland – Artikel 5 des Grundgesetzes sowie die Mediengesetze der Länder – ging es zunächst um die Unterscheidung von Meinung und Tatsachenbehauptung. In mehreren Übungen lernten die Teilnehmer zu einzelnen Beispielen schnelle und differenzierte Urteile zu treffen, um diese Erkenntnisse auch in der eigenen Arbeit umsetzen zu können. Während Meinungen subjektive Äußerungen sind, müssen Tatsachenbehauptungen mittels Beweisen überprüfbar sein. Der Unterschied liegt oft im Detail, etwa wenn man von „dubiosen“ oder „illegalen“ Geschäftsmethoden spricht. Beide Elemente zusammen machen Medieninhalte aus. Meinungsäußerungen sind in Deutschland explizit geschützt, so lange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Bei Tatsachen kommt es darauf an, ob sie wahr oder unwahr sind. Nur unwahre Tatsachenbehauptungen können für Journalisten tatsächlich rechtlich gefährlich werden.
Journalistische Sorgfaltspflicht
Dabei gilt: Rechtlich verfolgt werden können nicht nur eigene falsche Behauptungen, sondern auch übernommene und zu eigen gemachte unwahre Aussagen sowie in den meisten Fällen die bloße Verbreitung unrichtiger Fakten. Das heißt zum Beispiel: Auch wenn eine Zeitung Leserbriefe mit erfundenen Tatsachenbehauptungen abdruckt, können Haftungsansprüche gelten gemacht werden. Eine einfache pauschale Distanzierung reicht hier nicht aus, jeder Fakten enthaltende Leserbrief muss inhaltlich überprüft werden.
Generell gibt es für Medienvertreter aber keinen Grund zu verzweifeln: Halten sie die journalistischen Sorgfaltspflichten ein, sind sie rechtlich gesehen grundsätzlich auf der richtigen Seite. Zu den Grundlagen eines guten Journalismus gehören neben Richtigkeit und Vollständigkeit der Darstellung auf Basis umfassender Recherchen auch das Bewusstsein für die eigene Verantwortung. Die mediale Vorverurteilung etwa in den Fällen Kachelmann oder Edathy stellen – ganz abgesehen von deren tatsächlicher Schuld oder Unschuld – grobe Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht dar.
Das Recht am eigenen Bild
Ohne passendes Foto erregt heute weder ein klassischer Artikel noch ein Social Media-Inhalt die Aufmerksamkeit des Publikums. Welche Schwierigkeiten hier auftreten können, wird besonders deutlich, wenn auf dem Bild Menschen zu sehen sind. Grundsätzlich gilt: Bevor ich das Bildnis einer Person veröffentlichen darf, muss diese dazu ihre Einwilligung erteilen. Bei Kindern und Jugendlichen sowie anderen eingeschränkt Geschäftsfähigen ist dafür der gesetzliche Vertreter zuständig. Ausnahmen bestehen nur für Personen der Zeitgeschichte sowie für Bilder, bei denen die Abgebildeten lediglich Beiwerk sind und es nicht um den Einzelnen auf dem Foto geht. Aber Vorsicht: Die Gerichte entscheiden in der Regel zum Schutz des Abgebildeten. Daher sollte insbesondere bei Personenaufnahmen immer eine Einwilligungserklärung, zumindest in Form einer eindeutigen Zustimmung des Betroffenen, für den Veröffentlichungszweck vorliegen.
Nach Klärung all dieser rechtlichen Grundlagen betonte Onischke zum Abschluss der Tagung noch einmal: Grundsätzlich helfe bei Unsicherheiten auch meist der „gesunde Menschenverstand“ sowie ein „fairer, transparenter und respektvoller Umgang“ mit dem jeweiligen Gegenüber. Davon profitiere dann nicht nur jeder Einzelne der betroffenen (Medien-)Akteure, sondern auch die Qualität des Journalismus insgesamt.
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