Bundeswehr und Gesellschaft

Auftrag. Werte. Zukunft - in einer entgrenzten Welt

Tutzing / Tagungsbericht Akademie-Gespräch / Online seit: 30.10.2015

Von: Anja Opitz und Corinna Korn

# Sicherheitspolitik und Terrorismus

Download: Akademiegespräch am See

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Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing

Mit dem Akademiegespräch am See hat diesmal eine Premiere stattgefunden: Es war das erste in Zusammenarbeit mit dem Landeskommando Bayern, welches die Bundeswehr im Freistaat repräsentiert. Anlass war der Planungsprozess für das neue Weißbuch 2016, welches die Grundzüge und Ziele der bundesdeutschen Sicherheitspolitik definiert und die Lage und Zukunft der Bundeswehr darstellt. Erstmals wird in den Entstehungsprozess auch die Öffentlichkeit stark einbezogen und genau für diese bot das Akademiegespräch ein Forum. Neben Akademiedirektorin Professor Ursula Münch diskutierten Brigadegeneral Helmut Dotzler, der Ministerialdirigent für Verteidigungspolitische Angelegenheiten im Bundesministerium der Verteidigung Dr. Rüdiger Huth, Dr. Franz Kühnel vom Beirat für Fragen der Inneren Führung, sowie der ehemalige Chefredakteur der ZEIT Dr. Theo Sommer. Im Fokus stand die Frage, wie die Bundeswehr gesamtgesellschaftlichen Rückhalt finden und bewahren kann.

Deutsche haben positive Einstellung zur Bundeswehr

Theo Sommer, der selbst am Entstehungsprozess des Weißbuchs von 1970 beteiligt war, näherte sich einer Antwort auf diese Frage, indem er zu Beginn einen Überblick über das Bild der Bundeswehr in der Gesellschaft gab. Nach 60 Jahren ihres Bestehens habe die Bundeswehr einen festen Platz im öffentlichen Bewusstsein errungen und sei ein Teil der Gesellschaft geworden: „In einer Demokratie kann keine Institution je mit ungeteilter Zustimmung rechnen“, sagte Sommer. Dennoch hätten laut Umfragen 80 Prozent der Deutschen durchaus eine positive Einstellung zur Bundeswehr, 29 Prozent gäben an, den Streitkräften zu vertrauen – das bedeutet Platz 2 hinter der Polizei. Auch Horst Köhlers Feststellung von 2005, die Deutschen stünden ihren Soldaten mit freundlichem Desinteresse gegenüber, bewertet Sommer als „gar nicht so übel“. Damit könne sich die Bundeswehr durchaus abfinden. Von der Gesellschaft viel intensiver kritisiert wird seiner Meinung nach die mittelmäßige bis schlechte Ausstattung der Bundeswehr. Hier habe die Regierung nach Jahren ausgebliebener Investitionen einiges gut zu machen.

Das Gesamtpaket Bundeswehr muss attraktiv sein

An solchen Kritikpunkten setzt nun das neue Weißbuch unter anderem an und formuliert für die Bundesrepublik die Ziele und Rahmenbedingungen ihrer Sicherheitspolitik. Da sich die Weltlage seit Erscheinen des letzten Weißbuchs im Jahr 2006 gewandelt habe, sei die Zeit reif für ein neues Weißbuch, welches sich an diesen Veränderungen orientiert und aus ihnen künftige Aufgaben für die Bundeswehr ableitet. Neben Fragen zum allgemeinen Auftrag der Bundeswehr und ihre Einbindung in die Gesellschaft kommt auch der Debatte um gemeinsame Werte ein wichtiger Stellenwert zu. Die Diskutanten waren sich einig, dass Bundeswehr und Gesellschaft über das gleiche Wertefundament verfügen. Der neuartige Entstehungsprozess des aktuellen Weißbuchs sei in dieser Hinsicht positiv aufzufassen: Er trage die Debatte um den Auftrag der Bundeswehr früh und direkt in den Kreis der Betroffenen und spiele damit auch eine Rolle bei der Entscheidung für einen Karriereweg in der Bundeswehr. Die jungen Leute wägen heute genau ab, wenn es um ihren Arbeitgeber geht. So muss auch das Gesamtpaket der Bundeswehr attraktiv sein, um im Wettkampf um die besten Arbeitnehmer(inn)en überzeugen zu können. Auch zivile Fragen, wie das soziale Umfeld, die Arbeitschancen der Ehepartner oder häufige Standortwechsel sind wichtig.

„Helfende Hände“ in der Flüchtlingskrise

Auch der demographische Wandel in der Bundesrepublik und dessen Auswirkung auf die personelle Stärke der Streitkräfte beschäftigt die Bundeswehr intensiv. Theo Sommer stieß vor diesem Hintergrund die Frage an, ob es in einer pluralistischen Gesellschaft nicht angebracht wäre, über eine mögliche Aufnahme von fremdländischen Personen in die Truppe zu diskutieren. Laut Rüdiger Huth vom Bundesministerium der Verteidigung findet diese Diskussion im Moment noch nicht statt, er wies aber darauf hin, dass die Bundeswehr angesichts der aktuellen Flüchtlingsthematik „von vorne bis hinten“ in den globalen Migrationsprozess eingebunden sei: von der Bekämpfung der Fluchtursachen am Ort ihres Entstehens bis zur Bereitstellung von Zelten, Feldbetten und „helfenden Händen“ vor der eigenen Haustüre. Die Bundeswehr passe sich so ständig neuen – sicherheitspolitischen – Herausforderungen an und sei nicht so statisch wie oft angenommen. Die prominente Rolle der Bundeswehr in der Flüchtlingskrise sei insgesamt wichtig, da es ein positives Echo in Zivilgesellschaft und Presse hervorrufe: „Alle in der Truppe sind überzeugt, dass sie hier Gutes tun“, sagte Brigadegeneral Helmut Dotzler, fügte jedoch hinzu, dass diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe die Bundeswehr nicht von ihren anderen Aufträgen entbinde. Es müsse eine Balance zwischen der akuten Flüchtlingshilfe und den aktuell 17 Einsatzorten der Bundeswehr weltweit gefunden werden.

Abschließend richtete das Podium einen Appell an die Gesellschaft, die transparenten Angebote zur Beteiligung und Information, etwa über die Homepage des Bundesministeriums der Verteidigung, zu nutzen.


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