Brennpunkte europäischer Politik

Regionalismus, Migration und Finanzen

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 13.05.2015

Von: Miriam Zerbel

# Europa, Regionalismus, Migration

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Gemeinsame Probleme lösen und Krisen bewältigen - das ist Teil des europäischen Integrationsprozesses. Das neue Parlament und die Kommission sind auch ein Jahr nach den Europawahlen von mehreren Brennpunkten umgeben. Wie gut die Europäischen Union nun in der Lage ist, diese Problemfelder zu lösen, untersucht die Veranstaltung an mehreren Testfällen wie Migration, Staatsschuldenkrise und Regionalismus.

Eine Standortbestimmung nahm Joachim Prasch vor. Der Bundesbankdirektor in der Hauptverwaltung Bayern sprang in seinem dynamischen Vortrag zwischen Staatsschuldenkrise und Geldpolitik bis hin zu den Niedrigzinsen. Mit Blick auf die nachhaltige Wachstumsschwäche in der Europäischen Union hält er die Schuldenkrise im Kern für nicht überstanden und gelöst. Das zeige allein schon die Entwicklung der 30 wichtigsten Aktienindizes in Deutschland. Ohne Zweifel stehe die Währungsunion vor einer harten Bewährungsprobe.

Er verwies auf die historischen Worte des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, im Jahr 2012 zur Eurorettung: "Whatever it takes" - was immer nötig sein wird. Diese Rede habe die Märkte zweifelsohne beeindruckt. Zugleich warnte er allerdings, Notenbanken sollten nicht alles tun, was sie tun könnten. Die Geldpolitik könne Zeit `erkaufen´, aber nicht die der Krise zugrunde liegenden Probleme lösen. Das so, Prasch, sei alleinige Aufgabe der Regierungen in den betroffenen Staaten.

Eurosystem soll Geldwert stabil halten

Die Kritik am Niedrigzinsniveau mit Äußerungen wie „der deutsche Sparer wird enteignet“,  geißelte der Münchner Bundesbankdirektor als emotional. Immerhin seien Sparer in anderen europäischen Ländern genauso betroffen. Zumal die Bürger als Kreditnehmer, Arbeitnehmer und Aktionäre von den günstigen Zinsen profitierten. Prasch unterstrich, das Eurosystem sei nicht dazu da, eine bestimmte Verzinsung zu garantieren, sondern den Geldwert stabil zu halten. Zugleich mahnte der Banker aber, Niedrigzinsen nicht zum „Dauertherapeutikum“ zu machen. Sobald die Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben seien, müsse der EZB-Rat seinen Kurs in der Geldpolitik ändern.

Abschließend bewertete Prasch die Reformpolitik positiv. „In den Problemstaaten sind durchaus Fortschritte erkennbar“, sagte er. Gleichzeitig forderte der Finanz-Experte, den Reform- und Konsolidierungskurs fortzusetzen, um die Krise dauerhaft zu überwinden.

Wanderschaft statt Migration

Die Wanderungsbewegungen in Europa beleuchtete Dr. Carola Burkert vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Weil der Begriff Migration nicht für EU-Inländer gilt, sprach die Sozialwissenschaftlerin von „Wanderschaft“. Sie stellte fest, dass durch die EU-Erweiterungen die Binnenmobilität in der Union angestiegen ist. Die „Wanderer“ seien in der Mehrzahl jung, mobil und gut ausgebildet. Zudem analysierte Burkert, aus welchen Gründen die Menschen eine Wanderungsentscheidung treffen und was die Hemmnisse sind.

Deutschland: Zuwanderungsmagnet in der Krise

In Deutschland ist in jüngster Zeit die Zuwanderung aus EU-Ländern überproportional angestiegen. Dabei verwies die Wissenschaftlerin darauf, dass wegen des Grundsatzes der Freizügigkeit in der EU, die Binnenmobilität gesetzlich nicht regelbar ist. Deren Zahl macht immerhin insgesamt zwei Drittel der gesamten Zuwanderung hierzulande aus.

Burkert untersuchte zudem, wie sich Beschäftigung und Arbeitslosigkeit von EU-Zuwanderern in Deutschland entwickelt haben. Demnach gibt es beachtliche regionale Unterschiede zwischen den Gruppen, wobei sie auf die in der Öffentlichkeit diskutierten Beispiele Duisburg und Offenbach hinwies.

In ihrem Fazit appellierte sie, mehr die Chancen als die Bedrohung zu sehen, die sich durch die Zuwanderung ergeben. „Sozialmissbrauch ist kein Massenphänomen“, stellte sich Burkert gängigen Klischees entgegen. „Zuwanderung ist eine mögliche Strategie zur Fachkräftesicherung“. Klar sei aber auch: „Wir müssen die Willkommensstruktur verbessern.“


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