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Krieg in den Medien / Medien im Krieg

Neue Herausforderungen für den Kriegs- und Krisenjournalismus durch digitale Medien


Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 29.09.2014

Von: Barbara Freymüller und Sebastian Haas

# Medienethik, Ethik

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Flickr APB Tutzing

© Akademie für Politische Bildung Tutzing

Der Moderator und Reporter Martin Durm (SWR) sprach über hautnahe eigene Erfahrungen eines Journalisten an der Front sowie praktische Probleme der Kriegs- und Krisenberichterstattung im Internetzeitalter. Dabei kritisierte er stark die bloße Netzrecherche, den sogenannten "Drohnenjournalismus", der sich auf scheinbare Augenzeugenberichte, spekulatives Material ohne Quellennennung und Videos aus dem Internet stützt. Dieser führe zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit und einer Abwertung des gut recherchierten Journalismus. Stattdessen sei die direkte Wahrnehmung vor Ort, die Spannungen und Ängste der Bevölkerung extrem wichtig, um den Schmerz und das Leid der Menschen in den Krisengebieten zu erfahren. Denn "Dschihadistische Selfies" zum Beispiel, die ein gewünschtes Selbstbild liefern, stellen eine Gefahr für objektive Berichterstattung dar, meint Durm.

"Get it first, but get it right" - mit der Quellenprüfung im Zeitalter sozialer Netzwerke setzte sich Michael Wegener (Leiter des Content Centers ARD aktuell) auseinander. "Es entsteht eine neue Realtität mittels tausender neuer Quellen durch digitale Medien", bemerkte Wagner. Deshalb sei die Verifikation des Bild- und Videomaterials, der Quelle und der Expertenabgleich von enormer Bedeutung, um den Zuschauern sorgfältig geprüfte Bilder im Fernsehen bzw. online zu präsentieren.

Die Rolle der Medien in Kriegen

Prof. em. Dr. Jürgen Wilke gab einen historischen Überblick über die Instrumentalisierung der Medien in Kriegen durch das Militär und politische Machthaber. Dabei brachte Wilke zum Ausdruck, dass Kriege schon seit dem 15. Jahrhundert vorrangiges Thema der journalistischen Berichterstattung darstellten sowie häufig zu propagandistischen Zwecken genutzt wurden. Friedrich der Große und Napoleon Bonaparte, aber vor allem auch die Machthaber im Ersten und Zweiten Weltkrieg betrieben eine gezielte Informationspolitik zur Meinungslenkung. Die Krisenberichterstattung wurde schließlich weiterentwickelt durch das Fernsehen, "embedded journalists" und "cyber war".

Die Rolle der Medien in modernen Kriegen beleuchtete Dr. Nadine Bilke (ZDF). Das Selbstverständnis der Medien an sich, die Produktionsbedingungen und die Standortfrage (also räumlich, perspektivisch und national gesehen) spielen eine große Rolle. Außerdem stellen sich die Fragen nach der Richtigkeit und Wichtigkeit von Informationen, denn "Quellen prägen den Fokus der Berichterstattung", wie Bilke erläutert. Hinzu kommt die Bedeutung der Beschaffung, Auswahl, Einordnung und Kommentierung von Bildern sowie der Parteilichkeit in der Benutzung eines Begriffs. Daher brauche es als "gute" Berichterstattung über Kriege einen konfliktsensitiven Journalismus, der Wert auf Wahrhaftigkeit, Richtigkeit, Relevanz sowie Kontextualisierung lege, resümiert Bilke.

Medienethik

Ethische Probleme bei der Kriegs- und Krisenberichterstattung stellen die Journalisten vor eine große Herausforderung, meint Prof. Dr. Markus Behmer (MAR, Universität Bamberg). Die Komplexität und Anzahl von weltweiten Konflikten, die Gefährdung der Journalisten, der Zwang nach Bildern sowie der mediale Wettbewerb nehmen zu, trotzdem sei es oberste Priorität die Objektivität sowie die Würde der Opfer zu wahren und eine Abstumpfung/Verstörung des Publikums zu vermeiden.

4 Tage Völkerschlacht, 4 Topnews

Der MDR machte erstmals ein historisches Ergeignis - die Völkerschlacht bei Leipzig von 1813 - mit der modernsten Nachrichtentechnik greifbar und transferierte dieses in die Jetztzeit. Über das crossmediale Projekt "Die Völkerschlacht überrollt Sachsen", das mit heutigen Wissen und Technik durchgeführt wurde, berichtete Dr. Katja Wildermuth (Redaktionsleiterin Geschichte und Gesellschaft, MDR). Sowohl der Einsatz von Breaking-News-Stil, Live-Schalten, Youtube-Videos als auch von Börsenexperten, Journalisten und Korrespondenten von heute führten zu einer Multiperspektivität und Kontextualisierung des historischen Schlacht.

Zwischen Propaganda, Information und Zensur

Den Abschluss der Tagung bildete der Chefkorrespondent Stefan Klein von der Süddeutschen Zeitung mit einer kritischen Selbstreflexion über die Arbeit als Reporter im Krieg, die sich zwischen Propaganda, Information und Zensur abspielt: "Unzulänglichkeiten und Beschränkungen gehören zum Job als Kriegsreporter" - sei es die zeitliche, sprachliche Barriere oder auch der Zwang, sich aus Sicherheits- und Logistikgründen als "embedded journalist" einer Kriegspartei anzuschließen. Dabei müsse man sich jedoch der Gefahr bewusst sein, sich der Manipulation und Lenkung einer Konfliktpartei auszusetzen. Hinter einem Einsatz im Krisengebiet stecke ein enormer Rechercheaufwand, doch die Teilhabe des Lesers dürfe nicht vergessen werden.

Im Rahmen der Tagung fand die Eröffnung der Austellung Barriere:Zonen von Till Mayer gemeinsam mit Handicap International statt, die Fotos vom Leben und Überleben mit Behinderung weltweit zeigt. Die Ausstellung ist noch bis zum 27. Oktober 2014 in der Akademie für Politische Bildung Tutzing zu sehen, Fotos von der Eröffnung der Vernissage sehen Sie hier.

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