Politische Bildung - ein Wagnis

Hans Maier als Kuratoriumsvorsitzender der Akademie für Politische Bildung verabschiedet

Tutzing / Aus der Akademie / Online seit: 15.05.2014

Von: Sebastian Haas

# Politische Bildung

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Hans Maier

Die Akademie für Politische Bildung Tutzing ehrte einen ihrer geistigen Väter: Hans Maier, Theologe und Philosoph, früherer bayerischer Kultusminister und langjähriger Vorsitzender unseres Kuratoriums. Mit einem Nachmittag im Zeichen politischer Bildung als Fundament freiheitlicher Politik haben wir Professor Maier aus dem Kuratorium der Akademie verabschiedet.

Politik und politische Bildung, Religion und Säkularisierung sind die Schlüsselthemen im Leben und Werk von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Maier, der die Tätigkeit unserer Einrichtung von 1988 bis 2013 als Kuratoriumsvorsitzender begleitet hat. Tatsächlich war der frühere bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus (1970-1986) dem Kuratorium sogar noch länger verbunden und schied nun nach 49 Jahren Mitgliedschaft aus – 1964 war noch der Gründungsdirektor der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Felix Messerschmid, im Amt.

Schon damals wussten alle Beteiligten der Akademie: der liberale, demokratische und säkulare Rechtsstaat ist auf die Bereitschaft seiner Bürger angewiesen, sich freiwillig am Gemeinwesen zu beteiligen. Jeder Versuch einer Einwirkung auf die Kräfte innerer Regulierung und Selbsterneuerung käme einer Aufgabe seines freiheitlichen Anspruchs gleich. Insofern  müssen freiheitliche Demokratien Angebote schaffen, die wiederum die vorpolitischen Grundlagen stärken.

Hier spielt politische Bildung eine zentrale Rolle. Hans Maier hat sich zeitlebens dafür eingesetzt und ist somit auch ein Fundament für die Reputation der Akademie für Politische Bildung Tutzing – darauf wies Direktorin Prof. Dr. Ursula Münch hin. Der aktuelle Vorsitzende des Akademiekuratoriums, Dr. Friedrich Wilhelm Rothenpieler würdigte Maiers „umsichtige Leitung eines gegensätzlich zusammengesetzten Gremiums zum Wohl der Akademie“. Der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Dr. Ludwig Spaenle bezeichnete Maier als einen der prägendsten Intellektuellen der Bundesrepublik – und zollte ihm höchsten Respekt für die Tatsache, dies auch noch nach seinem freiwilligen Rückzug aus der aktiven Politik bewerkstelligt zu haben.

Auch unser ehemaliger Akademiedirektor Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter ließ es sich nicht nehmen, seinen Mentor Hans Maier ausführlich zu würdigen (hier ein Beitrag aus dem Jahr 2011 zum 80. Geburtstag Hans Maiers): als Mann des rationalen Urteils und freien Denkens; als Kuratoriumsvorsitzenden, der meist gewähren ließ, nur nicht, als der Etat der Akademie einst so weit gekürzt werden sollte, dass der Seminarbetrieb kaum noch möglich gewesen wäre; als Bildungsexperte, der sich die professionelle Lehrer(aus)bildung auf die Fahnen geschrieben hatte; und als fachlich kompetenter, am Konsens orientierter, weitsichtiger, unabhängig der Parteikarriere stehender Politiker – „an denen es uns heute so sehr fehlt“.

An dieser Stelle noch ein paar Worte über die Vita Hans Maiers: Im Jahr 1970 wechselte der Wissenschaftler, der zuvor dem Deutschen Bildungsrat angehört hatte, als bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus in die aktive Politik. Durch dieses Amt, das er bis 1986 ausübte, stand er 1970/1971 und 1982 als Präsident an der Spitze der Kultusministerkonferenz. Von 1978 bis 1987 war Hans Maier zudem bayerischer Landtagsabgeordneter. 1988 kehrte er an die Ludwig-Maximilians-Universität zurück, an der er bis 1999 die Professur für Christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie (den sogenannten Guardini-Lehrstuhl) innehatte. Neben weiteren Ämtern war Prof. Maier von 1976 bis 1988 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Für sein Wirken und sein wissenschaftliches Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Karl Jaspers-Preis von Universität, Stadt und Akademie der Wissenschaften Heidelberg.

In seinen politischen Funktionen traf Hans Maier immer wieder auf einen Mitstreiter, mit dem er zum Abschluss unserer Veranstaltung auf dem Podium der Akademie für Politische Bildung Tutzing diskutierte: Dr. Bernhard Vogel, der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen. Die zwei Wissenschaftler, Kultusminister, überzeugte Christen, erfolgreiche Politiker und unbequeme konservative Parteimitglieder führten ein mit Anekdoten gespicktes Gespräch unter dem Motto „Vertrauen gut – Kontrolle besser? Worauf unsere Demokratie beruht“. Dabei forderte Hans Maier die jungen Politikwissenschaftler von heute auf, sich aktiv an der Politik zu beteiligen, doch ohne die Hochmut des alles vorausahnenden Gelehrten: „Recht haben allein genügt in der Politik nicht. Man muss lernen zurückzustecken und die anderen vorpreschen zu lassen“, sagte Maier mit einem Schmunzeln.

Sowohl Bernhard Vogel als auch Hans Maier amtierten in einer Hochphase der Kulturpolitik. Dass Fragen der Kultur und Bildung heute für die Unionsparteien kaum noch interessant zu sein scheinen – der Bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle stand noch bis vor kurzem allein auf weiter Flur, umringt von Kollegen anderer Parteischattierungen – stößt vor allem Bernhard Vogel sauer auf. „Wirkliche Diskussionen über Bologna, Pisa, G8 und G9 werden doch gar nicht geführt“, rief er in den Saal und erinnerte daran, die Leistungen europäischer Bildungspolitik nicht als selbstverständlich hinzunehmen. Und Hans Maier freut sich bereits auf die Zeit, in der die politische und wissenschaftliche Diskussion wieder die Themen setzen kann, und nicht zweit- bis drittrangige Detailfragen die Bildungsdiskussion beherrschen.


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