Yes we could?

Die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 05.12.2012

Von: Susanne Prechtl

# USA

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Kastan-Klüver-Tutzing

Klaus Kastan vom Bayerischen Rundfunk (links) und Reymar Klüver von der Süddeutschen Zeitung: „Dass Obama nicht mehr wiedergewählt werden kann, verschafft ihm Freiheiten."

Warum scheiterte Obama an seinem eigenen Wahlslogan – Change – und wurde dennoch wiedergewählt? Werden die Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin Weltmacht bleiben oder brechen sie unter ihren strukturellen Problemen im Inneren zusammen? Wir haben auf unserer Kooperationstagung mit der Bundeszentrale für politische Bildung mit Wissenschaftlern und Journalisten die Situation nach der Wahl analysiert und einen Ausblick auf die politische Zukunft der USA gewagt.

„Die massiven sozialen, wirtschaftlichen und energetischen Schwierigkeiten drücken derart aufs politische System, dass sich Präsident und Kongress gegenseitig blockieren.“ Mit dieser These begann Dr. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik seinen Vortrag. Können die USA weiterhin ihren Willen durchsetzen? Darin sieht der Autor von Der amerikanische Patient die entscheidende Frage für das internationale System.

Braml betrachtet die Zeit, in der eine liberale Hegemonie der USA herrschte, als beendet. Nun werde das nationale Interesse viel enger definiert, die USA handeln viel rücksichtsloser und sind darum bemüht, Lasten auf ihre Bündnispartner abzuwälzen, zum Beispiel innerhalb der NATO. Er prognostiziert: „Die inneren Schwierigkeiten werden die USA künftig an ihrem Führungsanspruch hindern.“ Vor allem bezüglich der Währung, der sozialen Situation, der Wirtschaft, des Energiesektors und des Staatshaushalts sei es schlecht um das Land bestellt – und auch Europa leidet in einer von wechselseitigen Abhängigkeiten geprägten Welt unter dieser Situation.

„Die Realität ist eine voll besetzte Inszenierung“

Von einer ganz anderen Perspektive beleuchtete der Medienwissenschaftler Dr. Hans Gerhold die gegenwärtige Situation der Vereinigten Staaten von Amerika. An der Dark-Knight-Trilogie zeigte er auf, dass in den Batman-Filmen exemplarisch dargestellt sei, „wie die amerikanische Gesellschaft in ihrer Substanz angegriffen und in ihren Grundfesten erschüttert werden kann“. In den Filmen werden das 9/11-Trauma, die Finanzkrise, die Vorkommnisse in Guantánamo oder die Angst vor terroristischen Anschlägen verarbeitet. „Der amerikanische Film schafft es sogar, im Mainstream kritisch zu sein und die Finger auf die Wunden zu legen“, so der Medienwissenschaftler. Das „notwendige Böse“, wie es bei Batman heißt, taucht nach Gerhold in vielen politischen Filmen auf, wie The Ides of March, aber auch oft in Filmen, die sich zunächst unpolitisch geben,  wie Winter’s Bone. Dieser Independentfilm wurde im Rahmen der Tagung vorgeführt und diskutiert.

Wahl im Ping-Pong-Verfahren

Der Auslandkorrespondent für den Bayerischen Rundfunk Klaus Kastan und der USA-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung Reymer Klüver lieferten eine Analyse der Wahl und berichteten auch von eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, die sie während ihrer Zeit in den Vereinigten Staaten machten. „In den 80er Jahren lernte ich ein optimistisches, zupackendes Land kennen, doch heute sind die Vereinigten Staaten aufgrund der zunehmenden Polarisierung gelähmt. Den USA ist der Wunderglaube an ihren Präsidenten abhanden gekommen.“ Klüver sieht das Land einem gewaltigen, strukturellen Armutsproblem ausgesetzt, unter dem die Minderheiten überproportional leiden.

Eine Bilanz über die erste Obama-Präsidentschaft zog Kastan und rechnete Erfolge gegen Misserfolge auf: „Obamas größter Fehler ist, dass er zu viel versprochen hat. Das macht ihn angreifbar.“ Außerdem ist er der Meinung, dass der Widerstand gegen den Präsidenten nicht so hoch wäre, wenn dieser nicht schwarz wäre. Und auch Klüver teilt diese Ansicht: „Das Erbe des Rassismus ist in Obamas Amerika noch immer zu spüren.“ Allerdings blickt er optimistisch in die Zukunft: „ Die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten hat an den äußeren Umständen nichts geändert. Aber in den Köpfen.“ Warum Obama seine Wiederwahl trotz einiger nicht eingelöster Versprechen gelang, sieht Kastan in folgenden Punkten begründet:

  • wirtschaftliche Erholung
  • Amtsbonus des amtierenden Präsidenten
  • intelligent geführter Wahlkampf
  • Präsenz in den sozialen Netzwerken

Pragmatischer Realismus

Die Ausgangsperspektive nach der Wahl schilderte der Regensburger Professor und Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung Reinhard Meier-Walser: „Eine komplexe Strukturkrise im Inneren steht einer prekären internationalen Situation gegenüber – der Krieg in Afghanistan, der Krieg gegen den Terrorismus, die Talibanisierung Pakistans, die Entwicklungen im Iran, die kritische Beziehung mit Moskau und der sich abermals verschärfende Nahost-Konflikt.“ Meier-Walser sieht Obamas Ziel, die Erneuerung der Führungsmacht an der Spitze der Weltordnung, in seiner zweiten Amtszeit durchaus umsetzbar, da das Spektrum der Bedrohungen größer ist als je zuvor und die USA als einziger unilateraler Akteur diese Führungsrolle übernehmen kann und will.

„Die Strategie dafür ist ein instrumenteller Multilateralismus, der die amerikanischen Interessen an oberste Stelle setzt“, so Meier-Walser. Die geostrategischen Interessen der USA erläuterte er an vier Fallbeispielen: Südostasien, Iran, Nahost und Russland. Außerdem beurteilt er Obamas Ziel des „Global Zero“ nicht nur als möglich, sondern auch als letzte verbleibende Handlungsoption. Die Anzahl nuklearer Akteure nimmt immer mehr zu – die Abschreckung wie zu Zeiten des Kalten Krieges funktioniert nicht mehr. Als einziges Instrument verbleibe der Weg zur atomwaffenfreien Welt, „ein realistisches und auch notwendiges Projekt.

„Probleme der EU sind viel schlimmer“

Der Erlanger Professor Andreas Falke konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die innenpolitische, insbesondere die wirtschaftliche, Wirklichkeit der USA. Anders als seine Vorredner stufte er die Lage als bei weitem nicht so schlimm wie in Europa ein. Obama attestierte er zwei Probleme: Er wollte überparteilich sein, dabei polarisiere er selbst und er wurde während der Weltwirtschaftskrise zum Präsidenten gewählt – keine leichten Startbedingungen. Dennoch gelang ihm seine Wiederwahl, „da er besonders Frauen, Hispanics und Haushalte mit niedrigem Einkommen hinter sich hatte.“ Die Wahl wurde generell vom Thema Wirtschaft dominiert – ein knapper Vorteil für Obama, da die Mehrheit der US-Amerikaner Aufschwungstendenzen ausmacht. „Allerdings sieht sich das Land nun mit einer Fiskalkrise konfrontiert, deren Lösung in weite Ferne rückt, solange die Republikaner an ihrer Fundamentalopposition gegen Steuererhöhungen festhalten“, so Falke. Eine schwierige Aufgabe für den amtierenden Präsidenten: „Obama hat ein Mandat: Er muss Steuererhöhungen für Einkommensstarke durchsetzten – dazu ist aber eine Einigung mit den Republikanern nötig.“ Aus diesen innenpolitischen Problemen zieht Falke auch Rückschlüsse auf die Außenpolitik: Da die Haushaltskonsolidierung oberste Priorität habe, werden die USA keine neuen Kriege beginnen.


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