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Randale, Rechtsextreme, Ruhestörung

Kommunalpolitisches Forum "Freiheit und Sicherheit" an der Akademie


Reller-Münch-Kindler-Tutzing

Der Starnberger Polizeichef Norbert Reller, Akademie-Direktorin Ursula Münch und Landespolizeichef Waldemar Kindler diskutierten in idyllischer Lage drastische Sicherheitsprobleme - die auch Tutzing betreffen (Foto: Haas).


Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 17.06.2012

Von: Sebastian Haas

# Populismus und Extremismus

Download: Kommunalpolitisches Forum: Freiheit und Sicherheit in Städten und Gemeinden


Für Sicherheit und Ordnung sorgen die staatliche Polizei und die kommunalen Behörden. Die Zusammenarbeit funktioniert: die Sicherheitslage in Bayern ist gut, zwei Drittel aller Straftaten werden aufgeklärt. Doch das Geld ist knapp. Und Viele nehmen sich im Namen der persönlichen Freiheit das Recht heraus, ihren eigenen Egoismus ungezügelt auszuleben.

Das bereitet nicht nur den Städten und Gemeinden im wahrsten Sinne des Wortes schlaflose Nächte, sondern auch dem Bayerischen Landespolizeipräsidenten Waldemar Kindler. In seinem Eingangsstatement beim Kommunalpolitischen Forum „Freiheit und Sicherheit in Städten und Gemeinden“ wies er auf beunruhigende Tendenzen hin (auch im Videointerview):

  • Alkoholmissbrauch und die nächtliche Gastronomieszene – nachgewiesen ist, dass nachts, wenn der Alkoholspiegel steigt, mehr randaliert wird als zwischen 6 und 24 Uhr.
  • Die Angriffe auf Polizeibeamte nehmen zu. Meist sind es Betrunkene, die auf Ordnungshüter losgehen, in jedem zehnten Fall ohne vorhergehenden Polizeieinsatz.
  • Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen als Sicherheitsproblem, selbst in unteren Ligen, wo sich gegnerische Fangruppen schon einmal verabreden, um sich eins auf die Mütze zu geben.
  • Drogenkriminalität – die bayerische Polizei hat im Jahr 2011 knapp 12 Kilogramm der Designerdroge Crystal sichergestellt. Das war doppelt so viel wie noch 2010.

Die Sicherheit ist also im Wanken, im wahrsten Sinne des Wortes. Daher beschäftigte sich ein Podium der Akademie für Politische Bildung Tutzing mit dem „Problemfall Alkohol in Städten und Gemeinden“. Schnell entwickelte sich eine Diskussion um den Verkauf von Alkohol an Tankstellen, Sperrzeiten und allgemeine Alkoholverbote.

Hans Schleicher vom bayerischen Wirtschaftsministerium warnt dabei vor Überregulierung und setzt auf Prävention, die Selbstverantwortung der Bürger und die Umsicht von Lokal- und Tankstellenbetreibern. Das geht den Kommunen nicht weit genug, wie die folgenden Meinungen zeigen:

  • „Unser Problem: Alkohol ist rund um die Uhr verfügbar“, sagt Helmut Chase (Referent für Sicherheit in Ingolstadt) und fordert ein absolutes Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen.
  • Der Memminger Oberbürgermeister Ivo Holzinger will ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen.
  • Außerdem regt er an, die Sperrzeiten wieder zu verlängern (im Moment gilt nur die Putzstunde von 5 bis 6 Uhr morgens) und sie für bestimmte Betriebe ausnahmsweise zu lockern.
  • „Jeder Baustein, der den Alkoholkonsum drosselt, ist ein voller Erfolg“, meint auch der Starnberger Polizeichef Norbert Reller. Mit deutlichen Worten erklärte er, dass auch die reiche Region um Tutzing und Starnberg ein Problem mit Alkohol und Drogen hat: In lauen Sommernächten plagt sich die Zivilstreife mit hunderten besoffenen Jugendlichen am Starnberger See herum, an der Uferpromenade muss man mit aller Härte gegen die Drogenszene angehen.

Dönerverbot bringt nichts

Gegen nächtliche Ruhestörer vorzugehen ist ein schwieriges Unterfangen. „99 Prozent der Nachtschwärmer verhalten sich ordentlich“ – das weiß auch Volker Ullrich. Der Augsburger Ordnungsreferent spricht sich daher für ein gezieltes Vorgehen gegen Störer und übermäßigen Alkoholkonsum aus. Schließlich hat seine Stadt mit General-Erlassen schlechte Erfahrungen gemacht: mit dem Dönerverbot von 2008, das es nicht erlaubte, nach 1 Uhr nachts Speisen und Getränke auf die Straße zu verkaufen. Die Folge:

  • Nachts um 1.01 Uhr trafen sich Tausende junge Erwachsene zum Protest-Picknick auf dem Rathausplatz
  • Türsteher mussten Gäste davon abhalten, mit der Bierflasche Lokale zu verlassen
  • Gastronomen konnten es nur falsch machen: Gäste mit Pommes oder Döner auf die Straße lassen – Ordnungswidrigkeit. Sie davon abhalten – Nötigung

Verwirrung, Entfremdung und findiger Protest sorgten schließlich dafür, dass die Stadt Augsburg das Dönerverbot nach zwei Jahren aufhob.

Zum Abschluss der Tagung gab es noch zwei weitere Referate: Der Leitende Polizeidirektor in Mittelfranken, Herbert Härteis, sprach über Fußballspiele als Sicherheitsproblem – und das nicht nur in den oberen Ligen. Selbst bei den 20.000 Amateurspielen, die jedes Wochenende in Bayern stattfinden, hat die Polizei alle Hände voll zu tun, um für Ordnung zu sorgen. Härteis kritisierte in seinen Ausführungen die Medien („die dramatisieren die kleinsten Vorfälle“), die Vereine und Verbände („die kündigen eine harte Linie meist nur an“).

Werkzeuge gegen Neonazis

Der Erste Bürgermeister von Wunsiedel, Karl-Willi Beck, sprach über den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Der sogenannte Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß wurde im März 1988 in Wunsiedel auf dem kirchlichen Friedhof begraben - und die Stadt zu einem Wallfahrtsort für Neonazis. Nachdem das juristische Vorgehen gegen die „Rudolf-Heß-Gedenkmärsche“ zunächst nichts brachte, stellte man ab 2002 unter Beteiligung aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte „die Würde der Stadt“ wieder her. Zum Beispiel konnte man den Neonazis mit einer Sitzblockade etwas - im wahrsten Sinne des Wortes - entgegensetzen. Nachdem das Grab 2011 aufgelöst und die Gebeine von Heß exhumiert worden waren, beruhigte sich die Situation in Wunsiedel. Beck war es ein Anliegen, über seine Erfahrungen zu berichten, gerade wenn anderen Städten und Gemeinden eine ähnliche Gefahr droht. „Wir haben die Werkzeuge dagegen“, sagte Beck.

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