Richtlinien für die Arbeit der Akademie
Rechtsgrundlagen der Akademiearbeit
Das Kuratorium der Akademie für Politische Bildung hat in der Sitzung am 5. September 1958 gemäß Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Akademie für Politischen Bildung vom 27. Mai 1957 (GVBI. S. 103) folgende vorläufige Richtlinien für die Arbeit der Akademie einstimmig genehmigt:
I.
Art. 2 des Gesetzes über die Errichtung einer Akademie für Politische Bildung bestimmt:
(1) Zweck der Akademie ist es, die politische Bildung in Bayern auf überparteilicher Grundlage zu fördern und zu vertiefen. Die Akademie dient dabei der Festigung des Gedankengutes der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung.
(2) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben hat die Akademie insbesondere
1. die Erfahrungen der praktischen Politik und die Ergebnisse der politischen Wissenschaften zu sammeln und für die politische Bildung auszuwerten,
2. Tagungen für Staatsbürger zu veranstalten, auf denen Fragen der politischen Bildung unter Mitwirkung von Politikern und Wissenschaftlern erörtert werden,
3. Lehrgänge und Seminare zur Fortbildung und Weiterbildung der Berufsgruppen durchzuführen, die selbst auf dem Gebiet der politischen Bildung tätig sind,
4. die Ergebnisse und Erfahrungen der Tagungen, Lehrgänge und Seminare auszuwerten, sowie pädagogisch brauchbare Formen der politischen Bildungsarbeit zu entwickeln und zu erproben,
5. Schrifttum zur politischen Bildung anzuregen, zu sammeln und selbst herauszugeben,
6. mit allen Organisationen und Einrichtungen, die sich auf dem Gebiet der politischen Bildung betätigen, zusammenzuarbeiten, sie zu beraten und zu unterstützen,
7. mit den bestehenden Forschungsstätten sowie mit Anstalten gleicher Zielsetzung im In- und Ausland Verbindung aufzunehmen und zu unterhalten."
II.
Die Arbeit soll nach den folgenden Grundsätzen durchgeführt werden:
1. Die Voraussetzung und der institutionelle Rahmen aller Bildungsarbeit sind in Bayern die Verfassung des Freistaates Bayern, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die freiheitliche Lebensordnung des deutschen Volkes. Die Kenntnis ihrer rechtlichen Grundlagen, ihres inneren Gehalts und ihrer menschlichen und politischen Bedeutung ist unabdingbar, denn diese Ordnung kann nur erhalten werden, wenn sie von einer hinreichenden Anzahl politisch reifer, zur Mitverantwortung fähiger und gewillter Bürger getragen wird. Nach den Erfahrungen der ersten deutschen Republik und der nationalsozialistischen Zeit ist die Heranbildung solcher Bürger eine Aufgabe, zu deren Gelingen es vielfältiger Anstrengungen und Einrichtungen bedarf. Die Akademie dient dieser Aufgabe.
2. Zur politischen Bildung des Menschen in unserer Zeit gehört ein hohes Maß an Verständnis für soziale, wirtschaftliche und politische Fragen, sowie der mit dieser Einsicht verbundene Wille, die jedem zufallende Verantwortung für die öffentlichen Dinge zu tragen. Eine vorwiegend individualistische allgemeine Bildung reicht heute nicht mehr aus. Die Akademie muss daher einen entsprechenden Anteil ihrer Arbeit den Fragen zuwenden, in welchem Verhältnis allgemeine und politische Bildung zueinander stehen und wie die beiden in ein fruchtbares Verhältnis zu bringen sind.
3. Zwischen der politischen Verfassung des Staates und der moralischen, intellektuellen und religiösen Verfassung des Volkes muss eine lebendige Beziehung bestehen, wenn nicht der Staat gefährdet werden soll. Zur Aufgabe der Akademie gehört es daher, den tatsächlichen Bestand von Interessen, Bedürfnissen und Verhaltensweisen in Erfahrung zu bringen, um dazu beitragen zu können, dass eine etwa bestehende Kluft zwischen den politischen Einrichtungen und dem tatsächlichen Verhalten geschlossen wird.
4. Die Akademie wird die Vielfalt der in einer freiheitlichen Lebensordnung möglichen politischen Positionen anerkennen und versuchen, aus dem Verständnis ihrer Verschiedenheit das Gemeinsame herauszuarbeiten. Sie muss lehren, wie Menschen in einer pluralistischen Welt geordnet zusammenleben können, ohne das eigene Gewissen oder das der anderen zu beschweren. Sie ist also nicht eine Bildungsstätte der Art, wie sie mit legitimer Zielsetzung von demokratischen Parteien unterhalten wird. Sie ist das Gegenteil einer Schulungsstätte politischer Weltanschauung im Sinne totalitärer Bewegungen.
5. Für die Arbeit der Akademie wird eine Auffassung der Politik maßgebend sein, die sie nicht als Selbstzweck, sondern in ihrem dienenden Charakter versteht.
6. Politische Bildung darf nicht durch Propaganda den Raum der eigenen, verantwortlichen Entscheidung einengen. Sie hat sich daher vor allem um grundsätzliche Einsichten zu bemühen. Tagesereignisse sollen behandelt werden, um die bei ihnen wirksamen Zielsetzungen und Kräfte sowie ihre Folgen zu klären, nicht aber um bestimmte Stellungnahmen herbeizuführen. Politische Bildung hat durch Information und Anregung zur Besinnung Entscheidungen vorzubereiten, nicht aber sie vorwegzunehmen.
7. In der Politik geht es um die Macht und um die Gerechtigkeit ihrer Verwaltung. Politische Bildung darf an diesem Kernproblem nicht vorübergehen oder es verharmlosen. Zur politischen Bildung gehört folglich Klarheit über die Ethik des Machtgebrauchs, die den Willen und die Haltung des Staatsbürgers bestimmen soll.
8. Es gibt "Demokraten", die unter Demokratie lediglich das formale Verfahren der politischen Willensbildung verstehen ohne Rücksicht auf den Geist, der den Staatsbürger, die Parteien und die Institutionen beseelt. Eine solche Auffassung der Demokratie hat zur Katastrophe der Weimarer Republik beigetragen. Die politische Bildung muss daher besonders in der deutschen Situation der Gegenwart die geistigen und sittlichen Inhalte entwickeln, durch welche die demokratische Staatsordnung erst jenes Maß von Verbindlichkeit gewinnt, das auch über schwere wirtschaftliche und politische Krisen hinwegzutragen vermag. Erziehung zur Demokratie muss zum Bewusstsein bringen, was wert ist, verteidigt zu werden. Sie muss auch die sittlichen Kräfte wachrufen und pflegen, die zu Selbstlosigkeit und Opfer befähigen.
9. In der politischen Bildung muss, wie in jeder Bildung überhaupt, der Weg, der begangen wird, dem Geiste des Zieles entsprechen, zu dem er hinführen soll. Mit autoritären Mitteln kann man Kommissare schulen; der Staatsbürger, der das Notwendige erkennt und freiwillig auf sich nimmt, wächst nur in der Freiheit. Politische Bildung wird daher nur dann fruchtbar sein, wenn die Bildungseinrichtungen selbst vom Geist einer freien Gemeinschaftsordnung durchwirkt sind. Das hat auch für die Akademie, ihre Organisation, ihre Arbeitsweise, die Zusammenarbeit ihrer Organe und Mitarbeiter sowie den Stil ihres Gemeinschaftslebens zu gelten.
III.
Die Akademie wird ihre besondere Aufmerksamkeit den folgenden Gegenstandsbereichen zuwenden:
1. Dem Aufbau des Gemeinwesens
Nur wenn die Einzelnen und die Gruppen ihre je eigene Stellung und Aufgabe im Gemeinwesen richtig verstehen, können sie sich ihrer Verantwortung für das Ganze, das auch sie trägt, bewusst werden. Je besser die Einzelnen und die Gruppen den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Aufbau des Gemeinwesens kennen und um ihren eigenen Standort in ihm wissen, um so mehr Verständnis werden sie für die Interessen anderer und für das Ganze haben können.
2. Den innerpolitischen Institutionen
Die Kenntnis der rechtsstaatlichen Grundsätze, der Einrichtungen eines freien Staatswesens sowie der praktischen Möglichkeiten, mit diesen Grundsätzen und Einrichtungen seine Ziele zu erreichen, ist für jeden Staatsbürger unerlässlich. Er muss die Verfahren der politischen Zielsetzung, Willensbildung und Willensverwirklichung genau kennen, um zu wissen, in welcher Weise er selbst an diesen Verfahren teilnehmen kann.
3. Den weltpolitischen Zusammenhängen der Gegenwart
Die Veränderung der weltpolitischen Stellung Deutschlands und die gleichzeitige Erweiterung wie Verdichtung des internationalen Zusammenhangs der Weltpolitik und der Weltwirtschaft haben eine neue Art der Wechselwirkung zwischen Innen- und Außenpolitik geschaffen. Es gehört daher zur politischen Bildung, diese Welthorizonte, die auf Deutschland gerichteten Wirkungen der internationalen, insbesondere der europäischen Politik und die Konsequenzen deutscher Entscheidungen für die Stellung Deutschlands und für die Weltpolitik zu verstehen.
4. Der Philosophie des Gemeinwesens
Der politisch verantwortliche Staatsbürger braucht für sein Urteil und sein Verhalten Klarheit über seinen eigenen Standort wie auch Verständnis für den Standort anderer. Angesichts der Verschiedenheit der geistigen Kräfte, die in Deutschland zusammenwirken - und die auch gemeinsam die Akademie zu tragen haben -, ist es nötig, sowohl die Verschiedenheit als auch die Gemeinsamkeiten dieser geistigen Haltungen zu erhellen. Vom Erfolg dieses Bemühens wird es vor allem abhängen, ob wir gegenüber den politischen Pseudoreligionen unsere aus der abendländischen Überlieferung erwachsenen Freiheiten von Grund auf verstehen und in der Auseinandersetzung mit den Mächten unserer Zeit erhalten, festigen und entwickeln können.
Josef Hammerschmid
Tel: 08158 / 256-12
j.hammerschmid@apb-tutzing.de
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