„Grünwalder Empfehlungen" als Blaupause

Vor 62 Jahren erfolgte die konzeptionelle Grundlegung der Akademie

Juli 1955


Am letzten Juliwochenende 1955 kamen namhafte deutsche Wissenschaftler, Pädagogen, Politiker und Beamte in der Sportschule Grünwald erstmals zusammen, um sich Gedanken um Konzeption und institutionelle Absicherung der politischen Bildungsarbeit im Freistaat Bayern zu machen. Aus den Beratungen dieses sogenannten 1. Grünwalder Arbeitskreises gingen zwei Denkschriften hervor: I. Über die Gründung einer Akademie für Politische Bildung sowie II. Über die Gestaltung der Lehrerweiterbildung in Bayern.

Die Zusammenkunft in Grünwald war auf Einladung des Bayerischen Kultusministeriums erfolgt. Mit der Organisation des Treffens war der erste Geschäftsführer der Bayerischen Landeszentrale für Heimatdienst (jetzt: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit) Thomas Ellwein betraut. Die „Empfehlungen über die Gründung einer Akademie für Politische Bildung“ haben bei einer zweiten Grünwalder Tagung ihre endgültige Fassung erhalten. Dabei stützten sich die Planungen für die Tutzinger Akademie im Wesentlichen auf Erfahrungen aus Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen. Vorbilder waren u.a. die baden-württembergische Akademie für Erziehung und Unterricht (Leitung Felix Messerschmid, später erster Direktor in Tutzing), die Akademie Comburg, die Rheinhardswaldschule bei Kassel und das Haus Sonnenberg im Harz. Zu den in Nordrhein-Westfalen und Bremen bestehenden „Modelleinrichtungen“ zählten unter anderen der Jugendhof Vlotho und die Heimvolkshochschule Bremen sowie in Hessen das Haus Schwalbach.

Pädagogisches Kraftzentrum

Die Grünwalder Arbeitskreise verfolgten – in den Worten Ellweins – die Absicht, eine Akademie für Politische Bildung „als zentrale Fortbildungsstätte für den Bereich der gesamten Beamtenfortbildung und als Hilfsmittel der Erwachsenenbildung zu schaffen."

Nach ihren Vorstellungen „würden in der Akademie [politisch-bildnerische] Kurse für Lehrer, Beamte aller Art usw. stattfinden, die der Fortbildung im einschlägigen Bereich dienen. Daneben wäre besonderes Gewicht auf die Tagungen zu legen, in der möglichst Vertreter verschiedener Berufsgruppen zur gemeinsamen Diskussion eines bestimmten aktuellen oder grundsätzlichen Themas zusammengerufen werden sollten."

Zug um Zug sollte allmählich eine breite Öffnung erfolgen. Davon versprach man sich „eine spürbare Belebung aller Bemühungen um die politische Bildung", in wachsendem Maße eigenverantwortlich getragen von einem „sich ständig erweiternden Kreis innerhalb der Bevölkerung".

Der Akademie ward insofern die Rolle zugedacht, „in erster Linie pädagogisches Kraftzentrum" zu sein, und „auf längere Sicht hin vor allem Impulse und Anregungen" zu geben. Man hielt es dazu für unabdingbar, dass sie „im ständigen Kontakt mit den wissenschaftlichen Forschungsstätten und andererseits mit der [politischen] Praxis steht."

Parteipolitische Unabhängigkeit als zentraler Faktor

Nötig wäre ferner „ein bestimmter Stab von festangestellten Mitarbeitern, weil die Tagungen jeweils wirklich von der Akademie durchformt sein müssen, sollen sie erfolgreich sein." Würden lediglich Gastdozenten herangezogen, so bestünde die Gefahr, „dass die einzelne Tagung zersplittert und von Zufälligkeiten abhängig wird."

Als Conditio sine qua non erfolgreichen Wirkens der geplanten Bildungsstätte wird von Ellwein in diesem Zusammenhang herausgestrichen:

„Ich brauche nicht zu betonen, dass diese Arbeit nur dann sinnvoll sein wird, wenn sie von allen demokratischen Kräften des Landes getragen wird und parteipolitisch völlig unabhängig bleibt."

Insofern bedarf die Akademie zwingend der Freiheit und Unabhängigkeit, „die für jede Arbeit im geistigen Raum erforderlich ist und die allein das in der Öffentlichkeit notwendige Vertrauen auslösen kann."

Es besteht kein Zweifel, dass die vor 62 Jahren in Grünwald entwickelte Konzeption institutionell abgesicherter politischer Bildung sich – mittels ihrer einzigartigen gesetzlichen Fassung in Gestalt des Akademiegesetzes von 1957 – für die seit 60 Jahren erfolgreiche Akademiearbeit als richtungsweisend und zukunftsfähig zugleich erwiesen hat.

Steffen H. Elsner


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