Ein unprätentiöser Mann der ersten Stunde

Akademie-Geburtshelfer Karl-Gotthart Hasemann

Juni 1975


Am 14. Juni 1975 verstarb mit Ministerialdirektor Karl-Gotthart Hasemann ein für die Akademie höchst wichtiger „Mann der ersten Stunde". Ab 1957 leitete er im bayerischen Kultusministerium das neu geschaffene Referat für Politische Bildung. Die gelungene Errichtung der Akademie ist auch seiner engagierten Geburtshilfe zu verdanken.

Er wurde 1920 in Berlin geboren und studierte dort ab 1939 Rechts- und Staatswissenschaften sowie Nationalökonomie. Nach dem Kriegsdienst legte er 1947 die große juristische Staatsprüfung in München ab, wo er zunächst auch als Assessor tätig blieb. Zwischen 1947 und 1951 war Hasemann Richter und Staatsanwalt am Amts- sowie am Landgericht in Landshut, anschließend bis 1954 Staatsanwalt in der Generalstaatsanwaltschaft beim OLG München. Nach seinem Wechsel ins Bayerische Justizministerium graduierte er 1956 an der Harvard Law School, Cambridge/Mass., zum Master of Law.

Einer der Gründungsväter

Von 1957 bis 1964 beeinflusste er dann als Referatsleiter für Politische Bildung im Kultusministerium nicht allein hinter den Kulissen wirkmächtig die Geschicke der Akademie und ihrer Gremien.

Hasemann war sowohl bei der Eröffnung der konstituierenden Sitzung des Akademiekuratoriums durch den damaligen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner am 9. September 1957 im Sitzungssaal der Bayerischen Staatskanzlei in München mit von der Partie, wie auch in der entscheidenden 3. Sitzung des Kuratoriumsausschusses zur Findung eines Akademiedirektors im Dezember 1957.

Gemeinsam mit Hildegard Hamm-Brücher, Felix Messerschmid, Hans Rollwagen und Eric Voegelin bildete er das Komitee zur Verfassung der nicht unumstrittenen „Denkschrift über die politische Bildung in Bayern – Stand und Erfordernisse" von 1960. Zwischen 1959 und 1965 trat er mehrfach als Referent in Veranstaltungen der Akademie auf. Darüber hinaus war er an Akademiepublikationen beteiligt, wie etwa am Tagungsbericht über „Die Frage nach dem Menschen in der politischen Theorie der Gegenwart" (Würzburg 1962) sowie aus der Akademiereihe „Handreichungen zur Politischen Bildung", dem Band „Staatliche Ordnung. Grundlagen und Unterrichtsanregungen" (München 1965).

Bilanz fällt positiv aus

Im Rahmen seiner Verabschiedung gab Hasemann einen Bericht über den damaligen Stand der politischen Bildung in Bayern. Darin heißt es: "Im November 1958 konnte die Akademie ihre Tätigkeit beginnen. Ihr Aufbau ist abgeschlossen. Dies gilt nicht nur für die organisatorischen Fragen, sondern auch für die bei der Errichtung der Akademie erst zu erarbeitende geistige Konzeption in wissenschaftlicher und pädagogischer Hinsicht. Das Experiment, das mit der Errichtung dieser Akademie unternommen wurde, kann als geglückt bezeichnet werden. Die Akademie ist zu einem der entscheidenden Instrumente zur Förderung der politischen Bildung in Bayern geworden."

Ab November 1964 widmete sich Hasemann dann vollständig der Verwaltungsreform der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, um dann am 1. September 1965 deren Kanzler zu werden. 1966 wechselte er auf die Position des Generalsekretärs des Wissenschaftsrates in Köln. Ab 1971 bekleidete der Karrierejurist dann schließlich das Amt des Generalsekretärs der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung. 1975 starb Hasemann im Alter von nur 55 Jahren.

Der Mensch hinter dem Gelehrten

Wie unprätentiös er war, zeigt diese Anekdote: Wurde Hasemann, wie damals selbstverständlich, als "Herr Regierungsdirektor" angesprochen, dann reagierte er mit der Bemerkung:

"Ich heiße Hasemann, aber wenn Sie wollen, rede ich Sie auch gern mit der Gehaltsklasse an".

Sicher eine Beiläufigkeit, aber eine signifikante! Der frühere Akademiedozent Heinrich Schneider erinnert sich: "Als überzeugter Liberaler (meinem Eindruck nach mit einer Neigung zum Sozialliberalismus) war er im bayerischen Kultusministerium fast ein Unicus. Er identifizierte sich mit den Ideen der Gründerväter, aber auch mit der Konzeption Messerschmids, dessen katholische Überzeugungen und Positionen er zwar nicht teilte, aber respektierte. Was immer an Anregungen zur freiheitlich-rechtsstaatlich und demokratisch ausgerichteten politischen Bildung an ihn herangetragen wurde, fand seine konsequente und nachdrückliche Unterstützung. Zwar passte er nicht so ganz in die im Ministerium herrschende Mentalität, aber seine Kompetenz, seine Integrität und seine Gewohnheit, offen auszusprechen, was er dachte, brachten es mit sich, dass sein Wort gehört wurde. Längst vor den im Jahre 1968 in Deutschland eingeleiteten Veränderungen des Umgangsstils war er ein Freund der frischen Luft, die überständigen Mief vertreiben sollte."

(zitiert in: Heinrich Oberreuter (Hg.): Politische Bildung im Wandel der Zeit. 50 Jahre Akademie für Politische Bildung. München (Olzog) 2007, S. 58f.)

Steffen H. Elsner


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