Akademie und Bayerischer Senat

Ein von Beginn an ambivalentes Verhältnis

März 1998




Vor rund 20 Jahren, exakt am 8. Februar 1998 waren Bayerns Wählerinnen und Wähler per Volksentscheid ohne Quorum und qualifizierte Mehrheit dazu aufgerufen, über verschiedene Parlaments- und Verfassungsreformen abzustimmen sowie über die Zukunft des Bayerischen Senats zu entscheiden. 10 Tage vor dem Verfassungsreferendum (eigentlich: Referenden) hatte die Akademie in einer Außenveranstaltung im Künstlerhaus am Münchner Lenbachplatz die zur Wahl stehenden „Alternativen auf den Prüfstand" gestellt.

Akademie klärt auf 

Viele Stimmberechtigte waren zu diesem Zeitpunkt noch unentschlossen und fühlten sich schlecht informiert. Aus diesem Anlass veranstaltete die Akademie eine öffentliche Diskussionsrunde, in der die Gegenstandsbereiche der insgesamt drei verfassungsändernden Abstimmungen näher ausgeleuchtet wurden. Unter der Leitung von Akademiedirektor Heinrich Oberreuter beteiligten sich an der kontroversen Aussprache: Manfred Weiß, MdL (CSU), Klaus Hahnzog, MdL (SPD), Sophie Rieger, MdL (Bündnis 90/Die Grünen), der SZ-Redakteur Herbert Riehl-Heyse, der Politikwissenschaftler Kurt Sontheimer sowie der Staatsrechtler Hans W. Zacher. Der pointierten Auffassung von Sontheimer, wonach „der Senat nichts tauge!", schloss sich beim Volksentscheid am 28. Januar 1998 die Mehrheit (69,2 Prozent) der an der Abstimmung teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger an und schaffte den Bayerischen Senat kurzerhand ab.

Senat durch Volksentscheid abgeschafft

Bis dahin hatte die Verfassung des Freistaates Bayern (BayVerf) vom 2. Dezember 1946 in ihrem 3. Abschnitt zum Senat in Artikel 34 bestimmt: „Der Senat ist die Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und gemeindlichen Körperschaften des Landes." Der Senat bildete eine eigenständige Schöpfung der Bayerischen Verfassung, die weder in den übrigen Ländern noch im Bund eine Entsprechung fand. Im Ergebnis der Volksabstimmung wurde die Verfassung geändert und das zweite parlamentarische Verfassungsorgan durch das „Gesetz zur Abschaffung des Bayerischen Senates" vom 20. Februar 1998 (GVBl. Nr. 5 vom 27.02.1998, S. 42; in Kraft getreten am 1. Januar 2000) von einer aktiven Minderheit des Volkes „souverän" hinweggefegt. Am Volksentscheid hatten sich nämlich nur 39,9 Prozent der insgesamt 8 831 738 Stimmberechtigten beteiligt; mithin entschieden ganze 27,3 Prozent der Stimmbürger über diese außerparlamentarische, rein plebiszitäre Verfassungsrevision und besiegelten so das jähe Ende dieser unikalen „Zweiten Kammer".

50 Jahre Bayerische Verfassung

Wenige Monate zuvor hatte man sich im Vorfeld des 50-jährigen Verfassungsjubiläums im Dezember 1996 auf einer Tutzinger Tagung („Würdig oder wirksam? – 50 Jahre Bayerische Verfassung") in einer hochkarätig besetzten Spitzenrunde aus bayerischen Landespolitikern (Landtagspräsident Johann Böhm, die Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag, Manfred Fleischer [Bündnis 90/Die Grünen], Alois Glück [CSU] und Renate Schmidt [SPD] sowie Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheuser-Schnarrenberger [FDP]) noch weitgehend darin einig gezeigt, dass die Bayerische Verfassung nicht leichtfertig dem Zeitgeist geopfert, sondern allenfalls moderat reformiert werden sollte. Die im Volksentscheid vom 28. Januar 1998 beschlossene Änderung kam gegen den Willen des Landtags zustande. Dieser hatte von seiner Befugnis nach Artikel 74, Abs. 4 BayVerf Gebrauch gemacht und einen eigenen Gesetzentwurf zur Senatsreform („Senatsreformgesetz") zusammen mit dem aus dem ursprünglichen Volksbegehren „Schlanker Staat ohne Senat" in das Verfassungsreferendum eingebracht. Seine Gegenvorlage aber scheiterte mit 23,6 gegen 69,2 Prozent im sonntäglichen Plebiszit.

Senat erhob Einwendungen gegen Akademiegesetz

Betrachtet man die Beziehungen zwischen der Akademie und dem Bayerischen Senat, so sind bzw. waren diese von Beginn an durch eine gewisse Ambivalenz gekennzeichnet. Das zeigte sich bereits im Zuge der parlamentarischen Beratungen des Akademiegesetzes: Nachdem der Gesetzentwurf „über die Errichtung einer Akademie für Politische Bildung" vom Bayerischen Landtag mit den Stimmen der sogenannten Viererkoalition aus SPD, BP, GB/BHE und FDP gegen die Stimmen der CSU-Opposition beschlossen worden war, hatte sich der Bayerische Senat mit dieser Vorlage zu befassen. In den gemeinsamen Beratungen des Ausschusses für kulturpolitische Fragen, des Rechts- und Verfassungsausschusses sowie des Finanz- und Haushaltsausschusses sind vom Bayerischen Senat insgesamt 12 Einwendungen gegen das vom Landtag am 30. Januar 1957 beschlossene Gesetz erhoben worden. Seitens des Senats bestanden also zunächst Vorbehalte gegen die in Tutzing neu zu gründende Akademie für Politische Bildung.

Senatoren in den Akademiegremien

Andererseits finden sich der Bayerische Senat beziehungsweise dessen Mitglieder über die Jahre hinweg recht prominent und auch zahlreich in den Gremien der Akademie vertreten: So ist beispielsweise der „humorige Poltergeist" und „urbajuwarische Senator" Max Kolmsperger in der konstituierenden Sitzung vom 24. Juli 1959 – und erneut am 24. Oktober 1963 – zum stellvertretenden Vorsitzenden des ersten und damit Gründungsbeirats der Akademie gewählt worden. Seine Nachfolge im Amt des stellvertretenden Beiratsvorsitzenden trat im Februar 1967 Senator Dr. Hans Bornkessel (1959–1969) an. Darüber hinaus gehörten dem Akademiebeirat folgende – amtierende bzw. ehemalige – Senatorinnen und Senatoren an: Wilhelm Baumann (1959–1973), Jakob Deffner (1985–1991), Klaus Dittrich (2001–2002), Werner Gebhard (1978-1989), Karl Halbig (1973-1981), Gerhard Hiltmann (1969–1977), Dieter Kattenbeck (1989–2001), Heide Langguth (2002–2010), Peter Lanz (1993–1997), Donat Müller (1993–1997), Fritz Schösser (1991–2001), Xaver Senft (1963–1984), Simon Snopkowski (1985–2001), Bernhard Suttner (1959–1973), Helmuth Volkwein (1989–1993), Sabine Wernet (1997–2001), Hans L. Zausinger (1981–1992) sowie Wolfgang Zimmermann (1977).

Mitglieder des Akademiekuratoriums waren der DGB-Landesbezirksvorsitzende Bayern Ludwig Linsert (1957–1981), der Gewerkschaftsfunktionär und II. Vizepräsident des Bayerischen Senats Walter Roth (1981–1994) sowie der Direktor des Bayerischen Bauindustrieverbandes J. Richard Voit (1963–1975). Der ehemalige Vorsitzende des DGB-Bayern Fritz Schösser gehörte sogar beiden Gremien an: Schösser nahm als Repräsentant der Gewerkschaften zunächst das Beiratsamt wahr (1991–2001), bevor er im Jahre 2007 in das Akademiekuratorium berufen wurde. Eine weitere Besonderheit bildet der langjährige Landshuter Oberbürgermeister und Vorsitzende des Bayerischen Städtetages Josef Deimer: 1971 erstmals zum Kurator bestellt, gehört Deimer diesem wichtigen Akademiegremium bis zum heutigen Tage an. In jedem Falle haben die genannten Senatorinnen und Senatoren in ihrer Eigenschaft als Vertreter des organisierten Pluralismus im Laufe der Jahrzehnte die Akademiearbeit vielfältig bereichert und befruchtet.

Steffen H. Elsner


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