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Kommunikation gestaltet Politik

Was beeinflusst unsere Meinungsbildung?

Unscharfe Videos der Protestmärsche in Ägypten 2011, satirische Bemerkungen in der "heute-show" oder der Blick auf die Massen am Königsplatz in München im Zuge der #BlackLivesMatter-Proteste. Unser politisches Ich nimmt Einflüsse aus der Umwelt auf und formt daraus unsere politische Meinung. Wie wir beeinflusst oder auch manipuliert werden, fällt uns selbst oft nicht auf. In der ersten Online-Tagung der Akademie für Politische Bildung "Kommunikation gestaltet Politik" haben sich Experten mit unserer politischen Meinungsbildung auseinandergesetzt.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 10.06.2020

Von: Janina Böttger / Foto: Janina Böttger

Programm: Kommunikation gestaltet Politik

"Die Beobachtung, die mich ein bisschen erstaunt hat, war tatsächlich diese Einheitlichkeit, dass es im Grunde genommen, auch zu Beginn der Pandemie, wenig Widerstand gegeben hat von den Medien insgesamt", sagt Christian Schicha. Der Professor für Medienethik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sprach im Rahmen der Online-Tagung "Kommunikation gestaltet Politik" darüber, wie die Medienberichterstattung seit Beginn der Corona-Pandemie aussieht und wie sie die Politik mitgestaltet. Für ihn stellt sich die Frage, was Journalismus überhaupt leisten kann - und muss. Während der vergangenen Wochen erfuhr die Qualitätspresse eine hohe Resonanz und das Regierungshandeln wurde positiv aufgenommen. Trotzdem sind viele Verschwörungstheorien im Umlauf. In der ersten Online-Tagung der Akademie haben Experten aus den Bereichen Medien, Filmwissenschaft und Architektur über Elemente diskutiert, die unsere politische Meinung prägen.

"Es ist nachvollziehbar, dass sich anfangs alle einig waren zu Corona. Jetzt sollte die Berichterstattung aber kritisch reflektiert werden", fordert Schicha. Seiner Meinung nach sind Kontrolle und Kritik und die damit verbundenen Proteste zwar wichtig. "Trotzdem müssen notwendige Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden." Zu Beginn der Corona-Pandemie herrschte eine enorme Unsicherheit in der Bevölkerung darüber, wie mit der Situation umzugehen sei. Hinzu kommt, dass wir lieber Nachrichten konsumieren, die unsere eigene Meinung widerspiegeln, also in einer Filterblase bleiben.Verschwörungstheoretiker haben es dort leicht, neue Opfer zu finden. Um dem entgegenzuwirken, bedarf es einer transparenten und seriösen Berichterstattung. Aber wie erfolgreich sind die Medien dabei?

Information durch Unterhaltung?

Seriöse Informationen im Stil von Entertainment-Formaten haben hohe Zuschauerzahlen wie die "Absolute Mehrheit" und die „heute-show" zeigen. Die unterhaltende Aufarbeitung politischer Inhalte soll gerade das Interesse junger Menschen für Politik wecken. Das Problem: "Oftmals bleibt die Verarbeitung oberflächlich, nicht jede Form von Unterhaltung eignet sich zur Informationsübermittlung", sagt Larissa Leonhard von der Universität Leipzig. Ob sich die Zuschauer mit den Inhalten genauer auseinandersetzen, kommt auf das Individuum an und darauf, welcher Art von Unterhaltung man nachgeht. Ist die Nutzung von Unterhaltungsmedien für die einen hedonisch motiviert, dann sollen positive Stimmungen verstärkt oder eine negative Stimmung verringert werden. Dagegen suchen andere das eudaimonische Erlebnis, sind also dazu bereit, sich mit den Gedanken, Gefühlen und Inhalten auseinanderzusetzen, die sie bewegen.

Im Hinterkopf muss immer behalten werden, dass das Ziel der TV-Formate nicht das Informieren ist, sondern immer auch ein unterhaltender Aspekt eine Rolle spielt. Ein Konzept, das laut Quoten gut bei den Zuschauern ankommt, ist der ARD-Themenabend. Dabei wird anhand eines Spielfilms auf ein gesellschaftlich relevantes Thema aufmerksam gemacht, um es  im Anschluss in einer Diskussionsrunde oder Dokumentation zu intensivieren.

Bilder verzerren die Wirklichkeit

Welchen einen Einfluss (Bewegt-)Bilder auf uns und die Berichterstattung haben, zeigt nicht zuletzt das Video des sterbenden Afroamerikaners George Floyd und die dadurch ausgelöste weltweite Bügerrechtsbewegung. Während und seit des Arabischen Frühlings 2011 werden kaum internationale Journalisten in die Länder der Protestbewegungen gelassen, wodurch früh "Bürgerjournalisten" entstanden. Beiträge, Bilder und Videos dieser Amateure, aufgenommen mit einfachen Handys oder Aufnahmegeräten, gehen um die Welt - und stoßen vielerorts auf Kritik. Obwohl Facebook und YouTube zu den größten Verbündeten des Arabischen Frühlings zählen, geben die Behörden in Syrien die bis dato verbotenen sozialen Plattformen 2011 frei. Dadurch, dass das Bild- und Videomaterial der Aufständischen in den internationalen Medien in einen falschen Kontext gesetzt wird, wird der Aufstand der Gesellschaft zum Vorteil der syrischen Regierung missbraucht, erklärt die Filmwissenschaftlerin Viola Shafik. Die Rolle des Berichtens habe sich verändert, die digitale Aktivistenszene, gerade in Syrien, sei riesig - wenngleich Shafik darauf hinweist, dass viele dieser Bürgerjournalisten schon "verschwunden" seien.

"Architektur strukturiert unsere Gesellschaft"

Dass auf Straßen protestiert werden kann und öffentliche Räume existieren, sei der Architektur zu verdanken, sagt Ludger Schwarte von der Kunstakademie Düsseldorf. Er erklärt, dass Architektur immer auch als Bedeutungsträger fungiere, als Medium des Sozialen. Wie bilden wir unser Denken? Und was nehmen wir dabei wahr? "Architekturen schafft Voraussetzungen und materielle Begründungen medialer Infrastruktur", sagt Schwarte. Wenn wir während der Corona-Pandemie also den Abstandsregeln folgen, ist das auch architektonischer Natur. "Die Plexiglasscheibe im Supermarkt ist eine architektonische Schutzmaßnahme", erklärt Schwarte. Urbane Qualitäten sollten kollektiv genutzt und gestaltet werden. Fängt Architektur also dort an, wo Kommunikationsformen verhindert oder ermöglicht werden?

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