Gesellschaftliche Umbrüche

Auf dem Weg zur sozial-ökologischen Transformation

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 08.02.2017

Von: Tobias Rieth und Miriam Zerbel

Foto: pixabay CC0

# Gesellschaftlicher Wandel, Asien, Ökologie und Nachhaltigkeit, Globalisierung

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Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Das betrifft verschiedene Bereiche, Regionen und Disziplinen, was sich in den Themen unserer Tagung spiegelt. Es ging um China, den Klimawandel, die Energie- und Mobilitätswende.


Die Abkürzung TTT verwies deshalb nicht auf die Kultursendung Titel, Thesen, Temperamente, sondern auf die Tutzinger Transformations Tagung. Gemeinsam mit der Akademie für Politische Bildung haben verschiedene Kooperationspartner diese Veranstaltung organsiert: der Bund Naturschutz in Bayern, der Gesprächskreis Die Transformateure – Akteure der Großen Transformation, die IG Metall Bayern und das Umweltbundesamt. Die Absicht dahinter: Der Austausch von Forschern und gesellschaftlichen Akteuren aus unterschiedlichen Disziplinen, die mit den Teilnehmern die strategischen Ausrichtungen in den kommenden Jahren diskutieren.

Einig waren sich die Veranstalter, dass die Bewältigung vieler Herausforderungen nur durch eine sozial-ökologische Transformation möglich ist, die, umfassender als eine Reform, alle gesellschaftlichen Gruppen betrifft.

China im Fokus

Zunächst ging es um Umbrüche in China. Weil das Land nicht nur in der Globalisierung eine entscheidende Rolle spielt, sondern sich auch durch extreme Widersprüchlichkeiten auszeichnet stand China zu Beginn im Fokus. Professor Martin Jänicke verwies darauf, dass China zwar so viel Kohle produziert wie der Rest der Welt, zugleich aber der Umweltschutz boomt. Jänicke, der in der Forschungsstelle Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin arbeitet, beobachtet eine Kohlewende: Bau und Stilllegungen von Kohlekraftwerken hielten sich die Waage. Seit 2015 setze die chinesische Führung zudem verstärkt auf erneuerbare Energien statt auf Kohle. Für die Industrieproduktion ist das Land aber auf Kohle angewiesen. Nun werde das Angebot gedrosselt, nicht aber die Nachfrage. Für Jänicke ist China ein Vorreiterfall auf dem schwierigsten Gebiet, das die Klimapolitik zu bieten hat.

Professor Markus Taube vom Institut für Ostasienstudien beschäftigte sich mit den wirtschaftlichen Strukturbrüchen in China. Nach Taubes Ansicht ist die Transformation in weiten Teilen Chinas bereits abgeschlossen, die Weichen gestellt, der Strukturwandel im Gange.

China hat den Wachstumsprozess ausgereizt. China muss sich ändern.
Professor Markus Taube, Institut für Ostasienstudien

Privatunternehmen seien zwar auf bestem Wege zur zentralen Masse der chinesischen Volkswirtschaft zu werden, aber staatliche Unternehmen besetzten noch immer führende Positionen. Zwangsfusionen, Bilanzmanipulationen oder die Aufgabe als soziales Auffangbecken parat zu stehen, führen laut Taube in den Staatsunternehmen zu ineffizientem und nur bedingt gewinnorientiertem Handeln.

Welche Transformation brauchen wir?

Hemmnisse und notwendige Weichenstellungen in der Klimapolitik listete Dr. Kora Kristof auf. Die Leiterin der Grundsatzabteilung im Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, stellte die zentrale Frage: „Welche Transformation brauchen wir?“ Um die globalen und stark vernetzten Probleme zu bewältigen, so Kristof, müsse es zu einer Teilung der Verantwortung zwischen Politik und Zivilgesellschaft kommen. Ohne willige Akteure und passende Strukturen, könne es keine Veränderung geben. Kristof schlug zudem vor, Ressourcenleichtigkeit und Immissionsneutralität zu koppeln.

Einen Ausblick auf alternative Stadtgestaltung gab Ton Daggers, Direktor der Movilization Foundation in Uttrecht. Die Städte sollten demnach „zurückgegeben werden an die Bewohner“, indem man zum Beispiel die Städte für Autos schließt. Die Digitalisierung erlaube es durch sharing systems Transport effizienter zu gestalten. Außerdem machten Innovationen, wie Pedelecs und CargoBikes, Fahrräder attraktiver für die Bevölkerung, aber auch für Logistik-Unternehmen.

Mehr Ehrlichkeit in der Diskussion

Klaus Mertens, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Betriebsrates von ZF Friedrichshafen, warnte anfangs, dass der Klimawandel eine „Gattungsfrage, nicht eine Klassenfrage“ sei. Er legte den Fokus vor allem auf den Aspekt Beschäftigung.  Der Wegfall von Arbeitsplätzen in der Zukunft sorge in der Branche für Unsicherheit. Er plädierte für mehr Aufrichtigkeit in der Diskussion und forderte, dass die Arbeitgeber die Beschäftigten aktiver mit einem „picture of the future“ über die Lage informieren sollten. Vor allem die Digitalisierung sei die Zukunft der Mobilität. Innovative Anstrengungen seien nötig, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Elektromobilität war der Schwerpunkt des Kurzvortrages von Dr. Heinz-Josef Heinrichs, Vize-Präsident der Business Unit Automotive bei Schaeffler in Schweinfurt. Forschung und Entwicklung sollten mehr Förderung bekommen von der Politik, beispielsweise die Produktion von Batterien für Elektroautos. Auch müssten die Politik und die Unternehmen „das Bewusstsein in der Bevölkerung schneller verändern, in die richtige Richtung“, hin zu mehr Akzeptanz für die notwendige sozial-ökologische Transformation.

Betroffene zu Verbündeten machen

Alle Diskutanten waren sich einig, dass die Mobilitätswende schneller von statten gehen müsse, da Deutschland und Europa im Vergleich zu den USA oder China ansonsten nicht mehr konkurrenzfähig seien.
In der Abschlussdiskussion ging es auch um die Verlierer der sozial-ökologischen Transformation. Professor Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND und des BUND Naturschutz in Bayern, sprach sich dafür aus „die Betroffenen zu Verbündeten zu machen“. Nicht jeder profitiere von dem Prozess und über „staatliche Umrüstungsprogramme“ müssten den Verlierern alternative Arbeitsplätze vermittelt werden. Jürgen Wechsler, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, unterstützte diesen Punkt. Er zog einen Vergleich zu den USA, um zu betonen, dass ein misslungener Transformationsprozess verärgerte Arbeitslose zurücklasse, was Auswirkungen auf die Politik habe.

Auch das bedingungslose Grundeinkommen wurde im Zusammenhang mit der Frage nach der gerechten Verteilung der zukünftigen Produktionsgewinne diskutiert. Das Ziel der Bundesregierung bis 2020 eine Millionen Elektroautos im Straßenverkehr zu haben hält Klaus Mertens von ZF Friedrichshafen für unrealistisch und das Förderprogramm für Elektromobilität der Bundesregierung für einen „Rohrkrepierer“. Nach seiner Ansicht muss zunächst ein kultureller Wandel im Mobilitätsverhalten der Bevölkerung stattfinden.


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