Polizei und Rechtsextremismus
Barbara John, Marcus da Gloria Martins und weitere Experten über die Morde des NSU und die Herausforderungen für die Polizei
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 25.11.2017
Von: Luisa Schmid
Foto: APB Tutzing
# Verfassungsfragen, Integration, Populismus und Extremismus
Die Debatte um Rechtsextremismus, den polizeilichen Umgang damit oder fremdenfeindliche Gesinnungen innerhalb der Polizei reißt nicht ab. Knapp 70 Teilnehmende aus ganz Deutschland haben die aktuelle Lage analysiert, Probleme definiert sowie mögliche Handlungswege beleuchtet. Eine Kooperation mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
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Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing
Die Entwicklung der Forschung zum Thema Fremdenfeindlichkeit und Polizei skizzierte Christoph Kopke (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin): Die Wende 1989 bringt auch einen Wandel der Sicherheitsbehörden in Deutschland mit sich. In den frühen 90er-Jahren heißt es, die Polizei sei „auf dem rechten Auge blind". Racial profiling, ein möglicher institutioneller oder struktureller Rassismus wurden ebenso diskutiert. Christoph Kopke weist auf die schwierige Rolle vieler Polizisten hin, nicht selten werden sie beschimpft und angegriffen. Wichtig sei die Thematisierung, und nicht die Tabuisierung, von (vermeintlichen) Missständen.
Polizei und Social Media
Der Sprecher der Münchner Polizei Marcus da Gloria Martins berichtete über Hasskommentare, die die Polizei vor allem über die sogenannten Sozialen Medien erreichen. Es sei schwer zu entscheiden, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen, zumal hate speech (noch) kein Tatbestand sei und damit ohne strafrechtliche Konsequenzen bleibe. Ohne Sanktionen wiederum verstärke sich das negative Verhalten vieler Nutzer. Das Überwachen von Behördenseiten ist fast genauso wichtig wie das Netz-Monitoring und die Netzwerkfahndung. Obwohl diese Aktivitäten jede Menge Ressourcen binden und kaum eine Anzeige tatsächlich vor Gericht landet, betont da Gloria Martins die positiven Seiten: Hinweise von Bürgern via Social Media treffen zu 80 Prozent ins Schwarze und unterstützen die Polizeiarbeit. Über Hetzer im Netz sagt er:
Eine kleine Minderheit darf nicht so laut werden, dass sie wie die Mehrheit klingt. Marcus da Gloria Martins, Sprecher der Polizei München.
Die Bühne für Menschenrechte führte ihre "NSU-Monologe" in der Akademie auf - danach folgte eine intensiv geführte Podiumsdiskussion. Der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein spricht vom Versagen des Rechtsstaats. Die Anwältin vieler Angehöriger der NSU-Opfer, Seda Basay Yildiz, sieht die Pflicht der Polizei verletzt, jede und jeden zu schützen. Außerdem spricht sie in Bezug auf die Morde des NSU von strukturellem Rassismus. Fehler müssen eingestanden werden, sie fordert eine Entschuldigung von Seiten der Behörden.
Vertrauensverlust in Polizei und Rechtsstaat
Barbara John (Ombudsfrau für die Angehörigen der Opfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds") formuliert die These: Die Einwanderungsgesellschaft in Deutschland stellt Politik und Behörden vor ungeahnte Herausforderungen, so dass dringend Veränderungen kommen müssen. Sie fordert eine unabhängige Beschwerdestelle zur Überprüfung polizeilichen Handelns, eine Öffnung der Sicherheitsbehörden und eine bessere Kooperation zwischen Bundesländern und Justiz im Allgemeinen. Die Polizei müsse aus alten Fehlern lernen und Lehren ziehen.
In Workshops haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Problemlagen und Herausforderungen genauer behandelt, Antworten und Lösungsansätze gesucht. Themen waren unter anderem: Reichsbürger, Extremismus im Fußballstadion, Diversity Management und interkulturelle Kompetenzen, die Beziehung zwischen Polizei und Zivilgesellschaft.
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