Mein Körper, meine Daten?
Tutzinger Diskurs „Big Data" beginnt / Projekt läuft in den kommenden zwei Jahren
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 25.11.2017
Von: Sebastian Haas
# Verfassungsfragen, Digitalisierung, Politische Philosophie, Ethik
Big Data im Gesundheitswesen lautet das Thema des dritten Tutzinger Diskurses – denn von Self-Tracking-Apps über die elektronische Gesundheitskarte bis hin zu Smart Homes entfaltet sich eine Entwicklung, die Chancen wie Risiken birgt. 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erörtern gemeinsam mit unserem Team nun das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und erarbeiten Handlungsempfehlungen für die Politik.
In der ersten Workshop-Phase ging es darum, sich kennenzulernen, sich als Diskussions- und Forschungsgruppe zu finden, und die vorgegebenen Leitfragen zu diskutieren: Was sind die wesentlichen Facetten und Entwicklungen von Smart Health und mHealth und wie hängen sie zusammen? Welche Chancen und Risiken sind mit diesen Aspekten verbunden und wie lassen sie sich ethisch bewerten? Denn wir stecken mittendrin in der medizinisch-technischen Datenrevolution: Apple arbeitet an einer SmartWatch, die medizinische Parameter überwachen soll, Google entwickelt eine Kontaktlinse, die den Blutzuckerspiegel aus der Augenflüssigkeit analysieren kann, von Proteus gibt es einen schluckbaren Sensor, der in Medikamente integriert wird und über ein Pflaster Daten versendet.
Ein nicht zu überbrückender Widerspruch?
Big Data und Datenschutz
Andreas Lob-Hüdepohl ist Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin, Geschäftsführer des Berliner Instituts für christliche Ethik und Politik sowie Mitglied im Deutschen Ethikrat. Er referierte und diskutierte über Vor- und Nachteile der aktuellen Entwicklung. So stärkt es Eigenverantwortung und Gesundheitsbewusstsein, wenn man den eigenen Körper selbst überwachen kann. Auch könnten kostengünstig und weltweit Daten erhoben, ausgewertet und verglichen werden.
Doch was ist zum Beispiel mit Datenschutz? Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fußt auf den Kernprinzipien der Sparsamkeit von Daten und der Zweckbindung bei deren Erhebung. „Auf dieser Grundlage bricht das System von Big Data zusammen, das ein Generieren, Zusammenführen und vielfältiges Weiterverarbeiten von Daten erlaubt", erklärt Lob-Hüdepohl. Ein Mittelweg kann über eine gestaffelte Form der Selbstbestimmung führen: Nach einer generellen Einwilligung über das Sammeln der „eigenen" Daten (broad consent) folgen spezifische Möglichkeiten der Zustimmung und Ablehnung in Bezug auf die Weiterverarbeitung (dynamic consent).
Ein weiteres Beispiel: Durch die zunehmende Selbstvermessung der Menschen können neue Erwartungen an Versicherte entstehen, freizügig Daten weiterzugeben. Dafür erhalten sie Boni oder Vergünstigungen für ihre Tarife. Wer nicht mitmacht oder übermittelt, Extremsport zu betreiben, viel Alkohol zu trinken oder zu rauchen, läuft Gefahr, steigende Beiträge zahlen zu müssen, gar von den risikoarm Lebenden denunziert zu werden oder ganz aus dem System zu fallen. Vor dem Hintergrund einer scheinbaren Gerechtigkeit kann Big Data so, meint Lob-Hüdepohl, „zur Erosion von Solidarverhältnissen führen".
Es gibt also vielfältige Gründe, um diese Entwicklung zu durchdenken. Der Tutzinger Diskurs „Big Data im Gesundheitswesen" tut dies in den kommenden zwei Jahren. Alle Informationen zum Projekt und weitere aktuelle Nachrichten finden Sie auf der Projekthomepage. Der Diskurs wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Weitere Informationen
Publikationen des Ethikrats – ab 30. November 2017 auch zum Thema Big Data und Gesundheit
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