Umschalten im Kopf

12. Tutzinger Radiotage zur Glaubwürdigkeit von (Hörfunk)Journalismus in Zeiten der Krise

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 13.09.2016

Von: Dominik Kühl

# Medien, Medienethik

Download: Tutzinger Journalistenakademie: 12. Tutzinger Radiotage

Trotz Facebook und Twitter, Snapchat und Instagram: das Radio bleibt ein populäres Medium. Doch dem zunehmenden Misstrauen an der Glaubwürdigkeit der Medien muss sich auch der Hörfunk stellen. Auf den 12. Tutzinger Radiotagen wurde darüber debattiert, ob Radiojournalist(inn)en mit dem abnehmenden Vertrauen kämpfen und wie sie dagegen vorgehen.


Bildergalerie

Flickr APB Tutzing

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing

Als Mitbegründer und ehemaliger Geschäftsführer von infratest dimap ist Richard Hilmer ein führender Experte auf dem Gebiet der Meinungs- und Wahlforschung. Bei den Radiotagen analysierte er den Aufstieg der AfD. Der ist es offenbar gelungen, im Zuge der globalen Migrations- und Fluchtbewegungen viele männliche Nicht-Wähler zu mobilisieren und an sich zu binden. Terroranschläge verstärkten die Angst und Abneigung gegenüber dem Islam und verschafften der Partei nochmals größere Aufmerksamkeit. Sei es die Angst vor zunehmender Kriminalität, die Angst vor Veränderung oder die Enttäuschung von anderen Parteien, die viele Bürger in die Arme der AfD treibt – nach Ansicht Hilmers steht fest: Rechtspopulismus wird ein brisantes Thema in der Politik bleiben.

Rechtspopulisten auf dem (digitalen) Vormarsch

Die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm von der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn bewertet Soziale Netzwerke einerseits positiv, da sie Platz für Meinungsaustausch und Debatten bieten und somit Partizipation ermöglichen. Andererseits werden die Plattformen gleichzeitig für Demagogie und Hetze missbraucht. Migration ist dabei ein klassischer Aufhänger für User, um rassistische und menschenfeindliche Äußerungen zu veröffentlichen. Offenbar gilt: Je rassistischer der Post, desto mehr Reaktionen erntet man. Da Rechtspopulisten die „Lügenpresse“ als Feindbild pflegen, das den inneren Zusammenhalt fördert, wird zudem ihre Kommunikation und Agitation verstärkt in die Sozialen Netzwerke verlagert. Dementsprechend stehen Facebook, Twitter und Co. für Pegida und die AfD hoch im Kurs zur Mobilisierung ihrer Anhänger – und darüber hinaus wird die strafrechtliche Verfolgung von fremdenfeindlichen und gewaltbereiten Veröffentlichungen bisher nur sporadisch vollzogen. Verwunderlich in einer Zeit, in der die Mediatisierung in unserer Gesellschaft weder wegzudenken ist, noch rückgängig gemacht werden kann, meint Caja Thimm.

Journalisten und ihre Berichterstattung

Ine Dippmann, Korrespondentin beim Mitteldeutschen Rundfunk, erlebte die Gewaltbereitschaft von Pegida-Anhängern am eigenen Leib – gestand aber ein, dass sich die Medien oft mehr auf rechte Parolen der Pegida-Anhänger eingeschossen haben als auf die genauso gewaltverherrlichenden Parolen der Gegendemonstranten. Wie also AfD und Pegida behandeln? Objektiv – andernfalls, so empfanden es die Radiomacher in Tutzing, würde man den rechtspopulistischen Vorwurf der „Lügenpresse“ bestätigen. Womöglich erntet die AfD gerade deswegen solche Zustimmung, weil sie medial in ein schlechtes Licht gerückt wird? Jedenfalls sollten Berichterstatter keine Politik machen, sondern Fakten vorlegen, damit sich der Adressat selbst eine Meinung bilden kann. Also: lieber die AfD zu Wort kommen lassen, sie zu Diskussionen hinzuziehen, sich sachlich mit deren (Tabu-)Themen auseinandersetzen und nicht ausschließlich zur Flüchtlingsthematik befragen.

Workshops und neue News-Kanäle

Außerdem beschäftigten sich die Radiojournalisten in Workshops mit Themen, die ihre Berichterstattung in den kommenden Monaten dominieren werden: Wahlkampfkommunikation, die eigene Glaubwürdigkeit, Flucht und Asyl sowie die Interaktion mit dem Publikum und der Umgang mit Hasskommentaren. Der Journalist Richard Gutjahr - Blogger des Jahres 2015 in der Kategorie Snapchat - erläuterte den Nutzen dieses Sozialen Netzwerks als Newskanal. Martin Heller, Leiter für Videoinnovationen bei der WELT/N24-Gruppe, zeigte die Möglichkeiten der Virtual Reality auch für das Radio auf.


Weitere Informationen

Heinrich graut's bei den Radiotagen 2016


News zum Thema

Medien in der Corona-Pandemie

Symposium zum Abschied unseres Dozenten Michael Schröder

Tagungsbericht, Tutzing, 22.10.2021

Künstlich? Intelligent? Eine Chance oder Gefahr?

Ringvolesung "Künstliche Intelligenz" im Livestream

Tagungsbericht, Nürnberg, 17.04.2020

Was lernen wir aus dem Fall Relotius?

Tagung zu den Täuschungsfällen im Journalismus

Tagungsbericht, Tutzing, 05.12.2019

Ethische Orientierungssuche im Digitalen

Wie sieht eine zeitgemäße Medienethik aus?

Tagungsbericht, Köln, 25.02.2019

Die offene Gesellschaft und ihre Gegner / Populismus und Verfall der Diskussionskultur sind verbunden mit dem radikalen Kommunikationswandel der Öffentlichkeit

Die offene Gesellschaft und ihre Gegner

Tutzinger Mediendialog über den radikalen Wandel unserer Kommunikation

Tagungsbericht, Tutzing, 04.12.2018

Foto © APB Tutzing

Hamburg ist nach Berlin die zweitgrößte Medienmetropole Deutschlands. Eine Studienreise der Akademie für Politische Bildung

Sagen, was ist

Auf den Spuren Rudolf Augsteins und anderer Journalisten in der Medien-Metropole Hamburg

Tagungsbericht, Hamburg, 08.11.2018

Foto © Dr. Michael Schröder

Zwischen Kommerz, Betrug, Integrität und Politik: Wie kann Sport noch ein gesellschaftliches Allgemeingut bleiben?

Politik, Kommerz und (Un-)Fairplay

Wie kann Sport noch ein gesellschaftliches Allgemeingut bleiben?

Tagungsbericht, Tutzing, 13.10.2018

Foto © APB Tutzing

Podiumsdiskussion über Sicherheit durch Überwachung mit Uli Grötsch, Doris Aschenbrenner, Daniel Moßbrucker und Thomas Janovsky

Mein Smartphone, das unbekannte Wesen

Wo verläuft die Grenzen zwischen Freiheit und Sicherheit im Digitalen?

Tagungsbericht, Würzburg, 17.09.2018

Foto © APB Tutzing

14. Tutzinger Radiotage mit dem Thema: Grenzen überwinden. Die Audiowende

Die Audiowende

14. Tutzinger Radiotage: Die Grenzen des Mediums überwinden

Tagungsbericht, Tutzing, 14.09.2018

Foto © Pixabay CC0