„Mein Kampf" - Programm eines Massenmörders
Vortrag und Filmvorführung zur Entstehungsgeschichte der Hetzschrift Hitlers
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 20.10.2016
Von: Sebastian Haas und Julia Haas
Foto: Screenshot ARD-Alpha-Dokumentation
# Nationalsozialismus
2016, 70 Jahre nach dem Tode Adolf Hitlers, liefen die Urheberrechte für seine Hetzschrift „Mein Kampf“ aus. Das Institut für Zeitgeschichte publizierte kürzlich eine wissenschaftlich annotierte Ausgabe, die zum Ziel hatte, das Propagandawerk zu entmythologisieren. Mit einem der vier Herausgeber, Dr. Roman Töppel, diskutierten wir über die Entstehungsgeschichte von „Mein Kampf“ und die Überlegungen zur Neuedition der Hetzschrift.
Bildergalerie
Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing
Es besteht kein Zweifel: „Mein Kampf“ ist die zentrale Quelle zur Erforschung der Ideologie der Nationalsozialisten und enthält Tendenzen, die von arischen Allmachtsphantasien bis hin zum Holocaust weisen. Entstanden sind die ursprünglich zwei Bände infolge des gescheiterten Putschs von 1923 und der anschließenden Haft Hitlers in Landsberg. Im dortigen Gefängnis entstand der erste Band mit der Kernaussage „Ich bin der Führer“ und dem zunächst so profanen Motiv des Geldverdienens. Der zweite Band entstand nach der Haft; getrieben von dem Drang, den Streit um die Führung innerhalb der völkischen Bewegung für sich zu entscheiden; und mit der Kernaussage eines „Hier geht's lang“ - das nationalsozialistische Programm wird hier vorgedacht und erste Umsetzungen werden bereits angekündigt.
Die Inhalte des Propagandawerkes sind nach Roman Töppel in vier Punkten erklärt, und selbst diese bedienten sich längst etablierter Ideen, meist aus dem 19. Jahrhundert, um sie der Gegenwart der 1920er- und 1930er-Jahre anzupassen:
- Rassismus und Antisemitismus
- Der kriegerische Erwerb von Lebensraum
- Das Etablieren einer Diktatur
- Gewaltherrschaft nach Innen und Außen
Diese vier Thesen fanden - entgegen der in der Nachkriegszeit meist vermittelten Behauptung - schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in der breiten Öffentlichkeit Anklang. „Mein Kampf“ verkaufte sich anständig und wurde von Medien aller politischer Couleur besprochen. Viele Tagebuchaufzeichnungen der geistigen und politischen Elite informieren über die teils begeisterte Lektüre, in den Bibliotheken des Landes waren die Exemplare durchgehend vergriffen, und eine Umfrage der US-amerikanischen Besatzer ergab 1946: mehr als ein Viertel der deutschen Bevölkerung gab zu, die Bücher zumindest in Teilen gelesen zu haben. Verkauft wurden mehr als 12 Millionen Exemplare. Dass Brautpaare das Propagandawerk in der NS-Zeit zur Vermählung geschenkt bekommen haben, stimmt übrigens nur zum Teil: die Kommunen mussten es dem Verlag abkaufen, das konnte oder wollte sich nicht jede Stadtverwaltung leisten. Dennoch gilt:
Keiner kann sich damit herausreden, nichts von Hitlers Plänen gewusst zu haben. „Mein Kampf“ als ungelesener Bestseller? Eine Schutzbehauptung der Nachkriegsgesellschaft. Dr. Roman Töppel, Mitherausgeber der kommentierten Edition des Instituts für Zeitgeschichte.
Im zweiten Teil eines informativen Abends sahen die fast 150 Besucher in der Akademie für Politische Bildung den Dokumentarfilm „Mein Kampf – Programm eines Massenmörders“ von Klaus Gietinger. Die Journalistin Vivian Perkovic hat darin die Orte besucht, an denen Hitler die Ideen zu seinen Büchern sammelte und schließlich in Schriftform brachte, und gewährt so tiefe Einblicke in Entstehungsgeschichte, inhaltliche Passagen und auch in die Anfang 2016 erschienene kritische Edition. Denn es bleibt auch heute noch dabei: die Aufmerksamkeit für „Mein Kampf“ ist groß.
Unsere Veranstaltung fand statt in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Starnberger See e.V., dem Bayerischen Rundfunk und ARD-alpha.
Weitere Informationen
ARD-alpha-Themenabend und Webspecial zur Neu-Edition von Hitlers Mein Kampf
Homepage des Instituts für Zeitgeschichte in München
Mein Kampf - eine Demontage. Ein Webspecial des Bayerischen Rundfunks
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