Keine guten Aussichten

Der deutsche Botschafter in Südafrika, Walter Lindner, über die Ursachen für globale Migration

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 08.04.2016

Von: Sebastian Haas

# Entwicklungspolitik, Globalisierung, Migration

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Derzeit sind weltweit mehr Menschen auf der Flucht als nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Fluchtursachen sind vielfältig. Gerade in Afrika verschärfen neben politischer Instabilität die Auswirkungen des Klimawandels die Situation. Die Maßnahmen der Entwicklungspolitik sind seit einiger Zeit darauf ausgerichtet, Fluchtursachen zu begegnen und die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Sind diese Maßnahmen wirksam? Ist Migration in einer immer stärker vernetzten Welt überhaupt steuerbar? Was kann die deutsche Diplomatie tun, um globale Migrationsströme zu beeinflussen? Der deutsche Botschafter in Südafrika, Walter J. Lindner, sprach mit 80 interessierten Gästen über globale Migration und ihre Ursachen.

"Wer hier lebt, dem geht's verdammt gut" - so begann Lindner seine Ausführungen in der Akademie für Politische Bildung mit Blick auf den Starnberger See. Tutzing und das oberbayerische Fünf-Seen-Land werden wohl auch 2066 eine der wenigen Orte weltweit sein, an denen sich nicht viel geändert haben wird. Ganz im Gegensatz zum Rest der Welt. Der wird mit der Erderwärmung, knappen Rohstoffen und extremem Wachstum der Bevölkerung kämpfen.

Migration is here to stay.
Walter J. Lindner, deutscher Botschafter in Südafrika, Lesotho und Swasiland.

Der deutsche Botschafter in Südafrika ist beileibe kein Pessimist, behauptet gar von sich, "Obama ist mein zweiter Name". Doch für ein immerwährendes "Yes, we can" ist er zu sehr Realist. Er erwartet Konflikte um Lebensmittel und Energie, um Arbeitsplätze und Infrastruktur, gerade in den Megastädten dieser Welt. Wer keine Perspektive hat, der macht sich auf den Weg dorthin, wo die Situation besser ist (sei es in Wirklichkeit, sei es durch die Medien vermittelt). Und so sagt Walter Lindner voraus: "Migration is here to stay. Die Welt wird vor uns nicht halt machen, und wenn wir noch so hohe Mauern um uns bauen."

Welche Rolle spielt das hochentwickelte und von den globalen Rohstoff-, Klima- und militärischen Krisen vergleichsweise wenig geplagte Europa? Keine gute, meint Lindner. Die Bevölkerung zeige kein Interesse an der Lebenswirklichkeit in den ärmeren Ländern dieser Welt - außer bei Spenden-Galas in der Weihnachtszeit oder nach Katastrophen. Und die Entwicklungszusammenarbeit laufe überall und seit Jahrzehnten gleich ab: eine Gemeinschaft aus sogenannten Expats, angestellt bei der Europäischen Union, den Vereinten Nationen oder NGOs, fördere "schöne Projekte" und Dialogforen, bleibe aber weitgehend unter sich. "Doch Clustern, gender mainstreaming und workshopping hilft den Leuten auf der Straße wenig", erklärte Lindner. Sein Vortrag bot wenig gute Aussichten. Aber die anschließende Diskussion über gelungene Beispiele und Impulse für Außen- und Entwicklungspolitik hellte die Stimmung wieder auf und regte zu selbstbewusstem Einsatz für eine weltweit lebenswerte Zukunft an.

Unser Podiumsgast

Walter J. Lindner studierte Musik, Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft und Spanisch und trat 1988 in das Auswärtige Amt ein. Nach Posten unter anderem in Ankara, Managua und New York war er jahrelang Sprecher von Außenminister Joschka Fischer, danach Botschafter in Kenya, Somalia, Venezuela sowie in Berlin Leiter des Krisenreaktionszentrums und Afrikabeauftragter des Auswärtigen Amts. Zuletzt war er Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Ebola-Krise. Seit Juli 2015 ist er Botschafter in Südafrika, Lesotho und Swasiland.

Unsere Kooperationspartner

  • Das ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) engagiert sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen. Es fördert den Kunst- und Kulturaustausch in Ausstellungs-, Dialog- und Konferenzprogrammen. Als Kompetenzzentrum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vernetzt es Zivilgesellschaft, kulturelle Praxis, Kunst, Medien und Wissenschaft. Es initiiert, moderiert und dokumentiert Diskussionen zu internationalen Kulturbeziehungen und wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart.
  • Das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) ist eine der größten deutschen universitären Politikberatungsinstitution zu Fragen der europäischen und internationalen Politik und ist Teil der Ludwig-Maximilians-Universität München. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte bilden die Themen Europäische Integration, europäische und deutsche Sicherheitspolitik, Mittlerer Osten und Nordafrika, Wirtschaftspolitik und Ethik, Jugend und Europa, Extremismus.
  • Das Auswärtige Amt - genauer gesagt dessen Abteilung für Strategische Kommunikation und Vernetzung mit der Zivilgesellschaft - führt das Dialogforum Veranstaltungsreihe "Außenpolitik live – Diplomaten im Dialog" seit 2011 in Zusammenarbeit mit dem ifa durch. Die Vorträge und Podiumsdiskussionen greifen aktuelle Themen der bilateralen und internationalen Beziehungen auf.

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Weitere Informationen

Walter Lindner - ein Porträt aus dem ZEIT-Magazin


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