Globale Partner - oder Gegner?

Ökonomie, Ökologie und Sozialpolitik im Konflikt

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 27.10.2013

Von: Sebastian Haas

# Europa, Asien, Lateinamerika, Wirtschaft

Staufer-Opitz-Kohlhepp-Sangmeister-Tutzing

Tagungsleiter, Kooperationspartner und Referenten versammeln sich im Akademiegarten: (v.l.) Walter Staufer von der Bundeszentrale für politische Bildung, Dr. Anja Opitz von der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Prof. Dr. Gerd Kohlhepp von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie Prof. Dr. Hartmut Sangmeister von der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur Berlin.

BRICS – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Sind das die politisch und wirtschaftlich starken Mächte der Zukunft? Vertraut man neueren Analysen, dann tun sich die fünf Schwellenländer schwer, die an sie gerichteten Erwartungen zu erfüllen. Soziale und ökologische Herausforderungen lassen die BRICS an ihre Grenzen geraten.

Unter dem Titel „Globale Partner oder Gegner? Über die Ambivalenz ökonomischer, ökologischer und sozialer Interessen am Beispiel der BRICS-Staaten“ sind wir gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung folgenden Fragen nachgegangen: Welche politischen, gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Reformen sind in den BRICS-Staaten notwendig? Welche Rolle werden diese Akteure zukünftig in der internationalen Politik spielen? Und: wie steht es dort um die Einhaltung der Menschenrechte?

Mit den BRICS sind wir vor allem durch wirtschaftliche Beziehungen verbunden. GATT, WTO, FTA, EU, MERCOSUR, NAFTA, ASEAN, BTA, BIT, DTT – das sind nur einige Abkürzungen, die internationale Handelsverflechtungen beschreiben. Ökonomen wie Steffen Gröning vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut betonen in diesem Zusammenhang, dass der Freihandel vor allem die Industrieländer begünstigt. Gerade sogenannte „infant industries“ nutzen daher den Protektionismus als Einnahmequelle und Kontrollinstanz: die ostasiatischen Tigerstaaten zum Beispiel schützten ihre Elektronikindustrie so lange nach außen, bis sie international konkurrenzfähig war, ähnlich tat es Deutschland mit seiner Solarindustrie oder die EU mit ihren Agrarsubventionen. Zölle, Quoten, Herkunftszertifikate, Verwaltungsvorschriften oder „safeguards“ gegen den massenhaften Import bestimmter Produkte (das kann bis zu runden Metallscheiben mit einem Durchmesser unter fünf Zentimetern reichen) bergen allerdings Gefahren: die eigene Industrie wird ineffizient, oder möglicherweise profitieren vor Ort nur ausländische Unternehmen von laxen Steuergesetzen.

„a life of dignity for all“

Entwicklungshilfe – das war einmal. In Zeiten der multipolaren Weltordnung ist eine internationale Zusammenarbeit nun nach Prinzipien der sogenannten Sustainable Development Goals (SDG) möglich. Die Ziele nachhaltiger Entwicklung in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt sind allerdings noch nicht definiert. Eine Vielzahl von Institutionen aus aller Herren Länder ist an der Entwicklung der SDG beteiligt, wie Michael Krempin von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit erklärte. Zumindest die Grundsätze sind klar: über die reine Hilfslogik hinausgehen, die Diskussionen über Armut und Nachhaltigkeit verbinden, universelle Ziele für Schwellen-, Entwicklungs- und Industrieländer formulieren. SDG, die in einigen Jahren Geltung beanspruchen könnten, sind: das Beenden von extremem Hunger und Armut; das Sichern von Bildung, Gleichstellung und Inklusion; die Förderung von Gesundheit; das Erhöhen des ländlichen Wohlstands; das Eindämmen der Klimaveränderungen sowie die Sicherung biologischer Vielfalt.

Soziale Sicherungssysteme helfen

Andererseits ist erwiesen: proportional mit der Wirtschaft wächst auch das Einkommen der Ärmsten. Das hilft aber nur bedingt, wenn gleichzeitig die Preise steigen, sich die Einkommensschere vergrößert, die Bevölkerung extrem wächst, ein Land also sehr fragil ist. Katja Hilser von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg erklärte, dass gerade Brasilien – wo das Wirtschaftswachstum seit 2003 im Schnitt vier Prozent pro Jahr beträgt – große Einkommensunterschiede aufweist. Wer viele Kinder hat, bildungsfern und ländlich aufwächst, hat besonders unter Armut zu leiden. Hilsers Schlussfolgerung klingt denkbar einfach und scheint doch so schwer zu realisieren: „Es muss mehr in Bildung, die Angleichung von Löhnen und menschenwürdige, sozialversicherte Beschäftigung investiert werden – gerade in der Landwirtschaft.“

Wirtschaftsaufschwung ohne Grenzen?

Interessenskonflikte zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz in Brasilien erläuterte Professor Gerd Kohlhepp von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen – und machte dabei deutlich, dass vor 40 Jahren getroffene Aussagen auch heute noch schwer zurückzunehmen sind. Damals lockte die Regierung Investoren mit Slogans in den Regenwald wie „Lasst Eure Umweltverschmutzung hier“, „Land ohne Menschen für Menschen ohne Land“ oder „Indianer hindern uns nicht am Wirtschaftsaufschwung“. So kämpfen auch 2013 die Beteiligten an Umwelt- und Klimaschutzprogrammen mit der staatlichen Entwicklungseuphorie; so bedrohen Holzwirtschaft, Rinderzucht, Kaffee- oder Sojaanbau noch immer den Lebensraum indigener Völker; so ist eine Reduzierung der Umweltbelastung schwer durchzusetzen, wenn starke Lobbygruppen die Ölförderung verstärken wollen.


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